Bei einem massiven russischen Luftangriff wird auch ein wichtiges Regierungsgebäude getroffen. Wladimir Putin startet damit eine neue Eskalationsstufe in seinem Krieg und ruft Donald Trump auf den Plan. Schon wieder war die Kiewer Feuerwehr am Wochenende im Großeinsatz. Viele Häuser brannten in der Nacht zum Sonntag, auch im Gebäude des ukrainischen Kabinetts – dem wichtigsten Regierungsgebäude, dem Sitz der Ministerpräsidentin Julia Swyrydenko – wüteten die Flammen. Offenbar wurde es von einer russischen Rakete getroffen. Die Rauchsäule war am Sonntag bei Tagesanbruch noch zu erkennen. Als die Menschen Schutzräume und Keller in der ukrainischen Hauptstadt verlassen konnten, sahen manche ausgebrannte Autos auf den Straßen und Gebäude, von denen Teile weggesprengt worden waren. Es war der größte russische Luftangriff auf die Ukraine seit Kriegsbeginn. Die russische Luftwaffe feuerte in dieser Nacht nach ukrainischen Angaben mindestens 810 Drohnen und 13 Raketen ab. In Kiew wurden mehrere Hochhäuser beschädigt, drei Menschen wurden getötet, sechs weitere Todesopfer gab es nach Behördenangaben in anderen Landesteilen. Für die Ukraine sind russische Drohnen- und Luftangriffe eigentlich Alltag. Dass Moskau aber ein Regierungsgebäude angreift, ist eine neue Dimension. Bislang hatte der Kreml darauf verzichtet. Weder das Hauptquartier des ukrainischen Geheimdienstes SBU noch der Präsidentenpalast von Wolodymyr Selenskyj wurden bislang bombardiert. Nun leitet Russland in seinem Krieg gegen das Nachbarland die nächste Eskalationsstufe ein. Doch warum schickt Kremlchef Wladimir Putin gerade jetzt einen Feuersturm? Darüber gibt es aktuell viele Spekulationen. Einige Beobachter sprechen von einem Versehen. Andere Experten sehen ein russisches Ablenkungsmanöver, als Racheakt für die laufenden ukrainischen Drohnen- und Raketenangriffe auf die Ölindustrie in Russland . Mit Sicherheit lässt sich nur sagen: Putin hat erneut demonstriert, dass er keinen Frieden möchte. Für viele Menschen in der Ukraine steht der Angriff auf das Regierungsgebäude symbolhaft für Russlands Krieg gegen die ukrainische Souveränität. Letztlich könnte der massive russische Luftangriff der Ukraine aber sogar helfen. Interview mit Außenminister Wadephul: "Die Opferzahlen sind erschreckend" Russlands Kriegsstrategie: Das lässt die Nato-Staaten jetzt aufhorchen Operative Pause der russischen Armee Auf den ersten Blick bringen derartige Angriffe Russland militärisch in diesem Krieg nicht viel, sie sind lediglich die Fortsetzung des stetigen Terrors gegen die ukrainische Zivilbevölkerung. Zwar werden ukrainische Flugabwehrsysteme überlastet, die ukrainische Verteidigungsfähigkeit haben die Angriffe dennoch kaum nachhaltig geschwächt. Der russische Angriffskrieg findet eben auch im Informationsraum statt – und das ist vielleicht mit Blick auf die Frage entscheidend, warum eine russische Rakete ein ukrainisches Regierungsgebäude traf. Einerseits befindet sich die russische Armee aktuell im Osten des Landes in einer operativen Pause. Moskau hat zwar eine weitere Großoffensive angekündigt, erobert aktuell allerdings kein neues Gebiet. Stattdessen müssen zunächst die Brigaden neu strukturiert und nach hohen Verlusten mit neuen Soldaten besetzt werden. Andererseits gelingt es der Ukraine immer erfolgreicher, das Rückgrat der russischen Wirtschaft zu attackieren: die Ölindustrie. Zumal die ukrainische Armee nun mit dem Flamingo einen selbstgefertigten Marschflugkörper mit hoher Reichweite im Arsenal hat, mit dem Kiew Ziele weit im russischen Inland attackieren kann . Ein Racheakt des Kreml Die Wut in patriotischen Gruppierungen in Russland und unter den einflussreichen russischen Militärbloggern ist mit Blick auf brennende Ölanlagen groß. Auf Telegram wettern sie gegen die russische Armee, bezeichnen Generäle als "Versager" und fordern Strafen sowie einen Strategiewechsel. Das sind Stimmen, die im Kreml durchaus ernst genommen werden. Das zeigt vor allem, dass die ukrainischen Angriffe Russland treffen – militärisch wie moralisch. Putin steht unter Druck und mit den Luftangriffen auf Kiew sorgte Russland zumindest zeitweise dafür, dass sich die Aufmerksamkeit auf diese Angriffe verlagerte. Ein Racheakt des Kreml, der politisch mehr Sinn ergibt als militärisch. Trumps nährt Hoffnungen in Europa Denn die Ukraine versucht, die russischen Angriffe für die eigene Kommunikation zu nutzen. Selenskyj wirbt erneut darum, dass die westlichen Unterstützer der Ukraine mehr Flugabwehrsysteme liefern. Auch Außenminister Johann Wadephul rief im Interview mit t-online Verbündete zur Abgabe von neuen Waffensystemen an die Ukraine auf . "Vor allem Flugabwehrsysteme müssen beschafft werden. Es gibt einige europäische Länder, die noch über Systeme verfügen und diese nicht tagtäglich brauchen", sagte er. "Deutschland regt an, dass sie darüber nachdenken, diese abzugeben." Russlands Luftangriffe werden den ukrainischen Bemühungen um weitere westliche Waffenlieferungen aus dem Westen neuen Rückenwind geben. Selenskyj forderte aber auch eine "breit angelegte Reaktion der Partner" der Ukraine. "Wir zählen auf eine starke Reaktion Amerikas", sagte er am Sonntagabend in einer Videobotschaft. "Genau das brauchen wir." Und somit richtet sich der Blick vieler internationaler Beobachter erneut auf US-Präsident Donald Trump . Bislang hatte der Republikaner Putin mehrere Fristen gesetzt und tatenlos verstreichen lassen. Russland hat in dem Krieg weiter eskaliert, Trump reagierte oft verbal, aber nicht mit weiteren Maßnahmen gegen Russland. Die Hoffnungen, dass sich das ändern wird, sind in Europa begrenzt. Zwar erklärte der US-Präsident am Sonntag vor Journalisten: "Ich bin nicht glücklich mit der gesamten Situation. Ich bin nicht begeistert über das, was dort passiert." Auf die Frage, ob er bereit sei, weitere Sanktionen gegen Russland zu verhängen, antwortete er: "Ja, das bin ich." Weitere Angaben machte er allerdings nicht. Auch US-Finanzminister Scott Bessent hatte zuvor verkündet, seine Regierung sei "bereit, den Druck auf Russland zu erhöhen". Wichtig sei aber, dass auch die EU mitziehe. Nicht abgeschreckt Und hier liegt das Problem. Trump hat zwar den berechtigten Einwand, dass viele EU-Staaten – auch über Länder wie Indien – russisches Öl kaufen. Wenn die USA und die EU sich gemeinsam auf weitere Sanktionen sowie auf Strafzölle gegen Länder einigten, die russisches Öl kaufen, werde "die russische Wirtschaft zusammenbrechen", sagte Bessent dem Sender NBC. Das werde den russischen Präsidenten Wladimir Putin schließlich "an den Verhandlungstisch bringen". Doch die Abhängigkeit einiger EU-Staaten von russischem Öl ist auch den Amerikanern seit Langem bekannt. Dass sie nun den Ball in die Hälfte der Europäer zurückspielen, ist auch ein Zeichen dafür, dass Trump eigentlich keine Sanktionen gegen Russland verhängen möchte. Der vielleicht wichtigste politische Kampf tobt also aktuell im westlichen Bündnis, während die Ukraine weiterhin von Russland bombardiert wird. Aber eines ist offensichtlich und eine weitere Erkenntnis aus der russischen Bombennacht vom Wochenende: Trump hat Putin bei ihrem Treffen in Alaska nicht abgeschreckt. Er hat ihn ermutigt, sonst würde Russland derartige Angriffe nicht mehr durchführen.