Die Boomer gehen in Rente und damit wachsen auch die Kosten für die Pflegeversicherung. Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer will sie stärker in die Pflicht nehmen. Während sich die schwarz-rote Koalition für ihren angekündigten "Herbst der Sozialreformen" noch zusammenzuraufen versucht, preschen andere bereits mit Vorschlägen vor. Besonders umtriebig dabei: die sogenannten Wirtschaftsweisen. Kaum eine Woche vergeht, ohne dass eines der fünf Mitglieder des Sachverständigenrats die Bundesregierung daran erinnert, was in den Sozialversicherungen im Argen liegt und wie sich das ändern ließe. Die jüngste Mahnung stammt von der Vorsitzenden der Wirtschaftsweisen selbst, Monika Schnitzer. "Wenn die Regierung nichts tut, wird der Kollaps unweigerlich kommen" , sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Dabei sieht sie nicht nur die gesetzliche Renten-, sondern auch die soziale Pflegeversicherung an einem kritischen Punkt. Pflegeversicherung: Noch nicht zu spät für Reformen "Wir können die Ausgaben der Pflegeversicherung nicht weiter so ansteigen lassen. Natürlich muss es Unterstützung geben, aber es muss auch klar sein, dass jeder damit rechnen muss, irgendwann mal ein Pflegefall zu werden. Dafür muss er auch selbst vorsorgen", sagte Schnitzer und verwies auf einen Vorschlag, den der wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium bereits 2022 gemacht hatte: mehr Geld für den Pflegevorsorgefonds bereitzustellen, um das System zu stabilisieren. Pflegeversicherung in der Krise: Wer soll das alles bezahlen? Rechnungshof warnt: Pflegeversicherung droht Zwölf-Milliarden-Defizit Da der Löwenanteil der Pflegekosten erst 15 bis 20 Jahre nach Renteneintritt anfällt, hätten die Babyboomer noch Zeit, Rücklagen zu bilden. "Daher ist es noch möglich, dass die große Kohorte einen größeren Teil ihrer eigenen Pflegekosten selbst finanziert, indem sie genügend Kapital anspart", sagte damals der Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Breyer, der das Gutachten federführend betreut hat. Um die Pflegeversicherung generationengerecht zu finanzieren, schlägt der Beirat folgende Maßnahmen vor: Pflegevorsorgefonds aufstocken durch eine sofortige moderate Beitragserhöhung bei der Pflegeversicherung, deren Mittel strikt zweckgebunden angelegt werden. So könnte die Boomer-Generation noch stärker an den Kosten beteiligt werden, während sich der Anstieg des Beitragssatzes ab 2030 abflacht. Der Pflegevorsorgefonds wurde 2015 eingeführt, um ab 2035 die schlimmsten Folgen des demografischen Wandels abzufedern. Da er sich unter staatlicher Aufsicht befindet, besteht laut dem wissenschaftlichen Beirat jedoch die Gefahr, dass er in Zeiten knapper Kassen ausgesetzt wird. Tatsächlich wurden unter Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für die Jahre 2024 bis 2027 statt 1,6 Milliarden Euro jährlich nur noch 700 Millionen Euro zugeführt. Geteilte Finanzierung: Die Pflegeversicherung trägt weiterhin einen pauschalen Anteil an den Pflegekosten, den Rest finanzieren private Haushalte über Eigenleistungen oder Vorsorge. Auch den Vorschlag, Eigenanteile in der stationären Pflege zu begrenzen, hält der Beirat für nicht generationengerecht. Denn das würde bedeuten, dass die Soziale Pflegeversicherung die Leistungen aufstocken müsste. Und das "würde zu einer erheblichen Umverteilung von den jüngeren zu den älteren Generationen führen und innerhalb der älteren vor allem die Vermögenden begünstigen", sagte der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats Klaus Schmidt. Damit würde die Generationengerechtigkeit verletzt, wie sie üblicherweise verstanden wird. Pflicht zur Zusatzversicherung: Wenn der Gesetzgeber nicht auf Eigeninitiative vertraut, könnte er alle Erwerbstätigen zu einer privaten, kapitalgedeckten Zusatzversicherung verpflichten – möglicherweise auch erst ab einem bestimmten Alter. Menschen mit geringen Einkommen sollten dafür steuerfinanzierte Unterstützung erhalten. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte im Wahlkampf seine Sympathie für eine verpflichtende Pflegezusatzversicherung bekundet. "Ich glaube, es wäre besser, wenn man in der längeren Perspektive den Menschen auch eine verpflichtende private zusätzliche Pflegeversicherung auferlegt, damit sie entsprechend vorsorgen können", sagte er im TV-Duell von ARD und ZDF . Für wen eine Pflegezusatzversicherung sinnvoll ist. In den Koalitionsvertrag hat es dieses Vorhaben aber nicht geschafft. Stattdessen soll eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe Grundlagen für eine große Pflegereform entwickeln . Die Ergebnisse sollen noch 2025 bekannt gegeben werden. Höchste Zeit für Reformen Wie überfällig Reformen sind, zeigt ein Blick in die Entwicklung der Finanzlage der Pflegeversicherung. Seit ihrer Einführung 1995 sind die Ausgaben stark gestiegen, vor allem durch eine deutliche Ausweitung der Leistungen im vergangenen Jahrzehnt. Zusätzlich übt der demografische Wandel Druck auf das System aus: Laut dem wissenschaftlichen Beirat wird der Anteil der Pflegebedürftigen bis 2050 von derzeit 5 auf über 7,5 Prozent der Bevölkerung steigen. Da gleichzeitig die Zahl der Erwerbstätigen sinkt, droht laut Gutachten bis 2040 ein Anstieg des Beitragssatzes um 1,5 bis 2 Prozentpunkte – zusätzlich zu höheren Kosten in Rente und Krankenversicherung.