In Deutschland tobt ein Rentenstreit. Und es könnte sich neuer Ärger bei der Rente anbahnen. Dieses Mal arbeitet Brüssel an einem EU-weiten Vorstoß. Im Verlauf der Woche ist in der Koalition aus Union und SPD ein Streit über die Reform der Rente entbrannt. Dabei machte Anfang vergangener die Junge Gruppe in der Unionsfraktion deutlich, dass sie sich gegen das Rentenpaket der Bundesregierung stelle , sollte der Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) zur Abstimmung kommen. Er sehe vor, dass das Rentenniveau dauerhaft um ein Prozent höher liegen solle, als es sich nach geltendem Recht ergeben würde. Der Gesetzentwurf sei "in seiner jetzigen Form nicht zustimmungsfähig", hieß es in einem Positionspapier der Gruppierung, das t-online vorliegt. Daraufhin verteidigte Bas die geplante Stabilisierung des Rentenniveaus und zeigte sich trotz des Streits bei der Rente zuversichtlich. Am Donnerstag erneuerte der Vorsitzende der Jungen Gruppe, Pascal Reddig (CDU), dann seine Kritik. Die Niveaustabilisierung über 2031 hinaus werde dazu führen, "dass Beiträge steigen, dass Steuern steigen", monierte Reddig. Seiner Aussage nach machten 2026 die Bundeszuschüsse für die Rente mit 127 Milliarden Euro bereits ein Viertel des Bundeshaushalts aus. 2029 würden es bereits 154 Milliarden Euro sein. Dadurch bleibe dem Staat "immer weniger finanzieller Spielraum zu Lasten der nächsten Generation". Schwarz-rote Koalition: Ein kleiner Satz löst plötzlich großen Rentenärger aus Lange erwartetes Vorhaben: Regierung überrascht mit weiterer Rentenreform Rückständige Rentensysteme: Aus der EU droht Ärger bei der Rente Kritik kommt nicht nur aus dem Inland. Dem Rentensystem in Deutschland droht in seiner derzeitigen Form weiteres Ungemach aus dem Ausland. So erwägt die Europäische Union offenbar, Zahlungen aus dem nächsten zwei Billionen Euro schweren EU-Haushalt an Rentenreformen in den Mitgliedsländern zu knüpfen, um deren Finanzen vor einer drohenden demografischen Krise zu schützen. Das teilten drei hochrangige EU-Beamte dem Nachrichtenportal "Politico" mit. Demnach sollen derzeit die Wirtschafts- und Finanzabteilungen der EU-Exekutive prüfen, wie die maroden staatlichen Rentensysteme der Länder gestützt werden können, indem sie den einzelnen Ländern Maßnahmen zur Altersvorsorge empfehlen. Wenn die EU-Hauptstädte diese länderspezifischen Empfehlungen ignorieren, könnten diese ab 2028 möglicherweise nicht mehr ihren vollen Anteil am Siebenjahreshaushalt der EU erhalten. Rente in der EU: Mischung legt öffentliches Rentensystem lahm "Unsere Aufgabe in der Kommission ist es, Ländern bei schwierigen Aufgaben zu helfen", erklärte ein hochrangiger Beamter der Kommission, der anonym bleiben wollte, "Politico". Die länderspezifischen Empfehlungen "wären dafür gut geeignet", indem sie "Reformen mit Investitionen verknüpfen". Immerhin stehe die EU vor der Aufgabe, eine gefährliche Mischung aus hoher Verschuldung, alternder Bevölkerung und sinkenden Geburtenraten zu bewältigen. Die Herausforderung der Zukunft besteht darin, dass diese Faktoren nicht dazu führen dürfen, jedes öffentliche "Umlageverfahren"-Rentensystem, auf dem die meisten EU-Länder wie Deutschland oder Frankreich basieren, lahmzulegen. Das Umlageverfahren funktioniert so, dass die Arbeitnehmer Beiträge zahlen, aus denen die laufenden Renten bezahlt werden. Durch den demografischen Wandel reicht die Zahl der Arbeitnehmenden aber nicht mehr aus, um die hohe Zahl an Rentnern zu finanzieren. Das führt unweigerlich dazu, dass die Steuerzahler den Rentnern eine Einkommensquelle bieten. Das ist sowohl heute als auch in Zukunft ein Problem, wie die erneut aufflammende Debatte über die Rente in Deutschland zeigt. Während nach Angaben von Statista geschätzte 21,6 Prozent der EU-Bürger im Jahr 2024 über 65 Jahre und älter waren, leben 2025 hierzulande rund 22 Millionen Rentnerinnen und Rentner. Viele Ökonomen mahnen schon lange, dass das deutsche Rentensystem reformiert werden müsse, zum Beispiel, indem das Rentenalter erhöht wird. In diesem Zusammenhang empfehlen Experten die Koppelung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung, um die Kosten der Rentenversicherung zu entlasten. Über 80 Prozent der EU-Rentner beziehen eine staatliche Rente Nach Angaben von "Politico" waren 2023 über 80 Prozent der Rentner in der EU auf eine staatliche Rente als einzige Einkommensquelle angewiesen. 18,5 Millionen der über 65-Jährigen sind demnach von Armut bedroht. Durch die demografische Verschiebung wächst der Druck auf die Staatskassen erheblich. Aus diesem Grund verfolgt Brüssel zwei Ziele: Zum einen sollen Reformen dem Bericht zufolge die Haushalte entlasten und zum anderen sollen die Menschen angeregt werden, ihre langfristigen Ersparnisse mehr am Kapitalmarkt anzulegen, nach US-amerikanischem Vorbild. Es sind jedoch Zweifel an der politischen Umsetzung gerechtfertigt. Schließlich liegt die Rentenpolitik keineswegs im Zuständigkeitsbereich der EU. Selbst wenn es so wäre, dürfte der Aufschrei in den Mitgliedsstaaten groß werden, sollte es zu einer Verknüpfung von EU-Mitteln mit politisch brisanten Themen kommen. Was mehr Geld in der Rente bringt: Teilzeit oder Minijob zur Aktivente? Aktivrente beschlossen: Welche Rentner die 2.000 Euro steuerfrei im Monat bekommen Kritik für EU-Gedankenspiel: "Rentenreform kann man nicht kaufen" Die Kritik an dem kolportierten Vorschlag fiel vorab bereits deutlich aus. "Eine Rentenreform kann man nicht kaufen", sagte ein stellvertretender Finanzminister bei "Politico". "Das würde den Kern dessen treffen, worum es in der Demokratie geht." Immerhin zählt die Rente EU-weit zu einem der größten Streitthemen. Während in Dänemark die Erhöhung auf das höchste Renteneintrittsalter in Europa unter relativ moderatem Widerstand vonstattenging, sind große Demonstrationen in anderen Ländern keine Seltenheit. In Brüssel kam es am Dienstag beispielsweise zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und Gewerkschaften, die gegen Sparmaßnahmen protestierten, darunter die Anhebung des Rentenalters von 65 auf 67 Jahre bis 2030. Prominentestes Beispiel bleibt allerdings wohl Frankreich. Dort regten sich 2023 monatelange Proteste, als Präsident Emmanuel Macron das Rentenalter von 62 auf 64 Jahre anhob. Der Widerstand bleibt dennoch groß, sodass der kürzlich wieder eingesetzte französische Premierminister Sébastien Lecornu unlängst ankündigte, dass er Macrons umstrittene Rentenreformen aussetzt , um eine parlamentarische Krise zu überwinden, die die Verabschiedung eines Haushaltsplans unmöglich gemacht hat. Renten-Vorschlag aus der EU: Details zur Umsetzung nicht bekannt Allerdings zielen die Gedankenspiele der Wirtschafts- und Finanzabteilungen der EU-Exekutive offenbar nicht darauf ab, in den Mitgliedsstaaten das Rentenalter festzulegen oder die Höhe der monatlichen Zahlungen an Rentner vorzuschreiben. Stattdessen seien die Rentenreformpläne aus Brüssel dazu gedacht, Bürgern Anreize zum Sparen für den Ruhestand zu bieten und Unternehmen zu ermutigen, ihren Mitarbeitern betriebliche Altersvorsorgepläne anzubieten. Darüber hinaus würde Brüssel seine Empfehlungen offenbar individuell an die Situation der Länder anpassen. Es gäbe keine Allgemeinlösung, die für alle gelten könnte. Der Bericht von "Politico" offenbarte weder weitere Details noch machte er Angaben über einen angedachten Zeitplan für eine mögliche Umsetzung. Auch nannte er nicht, welche EU-Länder über rückständige Rentensysteme verfügen und damit ins Visier dieser Maßnahme rücken könnten. Neuer Renten-Vorschlag: EU-Empfehlung ist derzeit nicht bindend Die länderspezifischen Empfehlungen sind Teil einer jährlichen Finanzüberwachung, mit der die Kommission die Wirtschaftspolitik innerhalb der Europäischen Union koordiniert. Diese Empfehlungen werden mit den EU-Hauptstädten ausgehandelt, um die dringendsten wirtschaftlichen Probleme eines Landes zu lösen. Beispielsweise kam die Empfehlung, "dass Deutschland 2024 und 2025 Maßnahmen ergreift, um den haushaltspolitischen Spielraum für produktive Ausgaben zu vergrößern, indem die Finanzierung der ersten Säule des Rentensystems reformiert wird; den Steuermix zugunsten eines inklusiveren Wachstums und einer nachhaltigeren Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern". Des Weiteren empfiehlt sie, die Umsetzung des Deutschen Aufbau- und Resilienzplans (DARP) zu beschleunigen, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und die Dekarbonisierung des Verkehrssektors voranzutreiben. Die Empfehlungen der Kommission sind derzeit nicht bindend. Die aktuellen Überlegungen der EU, Reformen an die Auszahlung von EU-Geldern zu knüpfen, wäre daher eine Verschärfung der bisherigen Praxis.