Schulter einrenken: So hilft der Orthopäde

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Ein plötzlicher, intensiver Schmerz und anhaltende Bewegungseinschränkung sind typische Symptome einer ausgekugelten Schulter. So lässt sie sich wieder einrenken. Eine ausgekugelte Schulter, medizinisch Schulterluxation, ist immer ein Notfall, bei dem schnell gehandelt werden muss. Betroffene sollten daher unverzüglich einen Orthopäden aufsuchen, der den Oberarmkopf wieder in die Gelenkpfanne einrenkt. Hierfür stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung. Ausgerenkte Schulter: Was passiert im Gelenk? Eine ungünstige Bewegung mit starker Krafteinwirkung, ein Sturz oder gegnerischer Kontakt im Sport können dazu führen, dass sich die Schulter auskugelt. Der Oberarmkopf springt aus der Gelenkpfanne heraus und entfernt sich vom Schulterdach. Dabei kann das Schultergelenk massiv Schaden nehmen. "Springt der Oberarmkopf heraus, kommt es häufig zu Verletzungen der Weichteile und der knorpligen Gelenklippe der Gelenkpfanne", erklärt Professor Sven Ostermeier, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Sportmedizin und Chirotherapie der Gelenk-Klinik Gundelfingen. Durch den Zug der kräftigen umgebenden Muskulatur verkeile sich der herausgesprungene Oberarmkopf am Rand der Gelenkpfanne, was zu strukturellen Schäden an Knochen, Knorpel, Weichteilen, Sehnen, Bändern und Nerven führen könne. Wer ist besonders oft betroffen? Besonders Sportler sind häufig von einer ausgerenkten Schulter betroffen, da sie ein hohes Verletzungs- und Sturzrisiko mitbringen. Zu den risikoreicheren Sportarten gehören Handball, Basketball, American Football , Fußball, Judo und Karate. Manchmal ist die Ausrenkung aber auch anlagebedingt. "Aufgrund seines enormen Bewegungsumfangs ist das Schultergelenk mit seinen stabilisierenden Weichteilstrukturen generell sehr anfällig für Verletzungen. Kein anderes Gelenk ist so häufig von einer Luxation betroffen wie die Schulter", weiß Ostermeier. Orthopäde hilft, das Gelenk einzurenken Zu den klassischen Symptomen einer ausgekugelten Schulter gehören starke Schmerzen, eine massive Bewegungseinschränkung, teilweise Lähmung sowie eine sichtbare Deformität, also eine veränderte Schulterform. Schwellungen und Blutergüsse begleiten die Schulterverletzung häufig. Teilweise kommen Taubheitsgefühle und Kribbeln hinzu, was bedeutet, dass auch die Nerven betroffen sind. Bei Verdacht auf eine ausgerenkte Schulter sollten Betroffene zügig einen Orthopäden aufsuchen, damit die ausgekugelte Schulter wieder in Position gebracht wird. Sonst drohen erhebliche Schäden an Bändern, Muskeln, Knorpel und Nerven. "Eine zu lange Verzögerung des Einrenkens führt zu einer zunehmenden Beschädigung wichtiger Nervenstrukturen, da durch die verkeilte Position des Oberarmkopfes im ausgekugelten Zustand insbesondere der Nervus axillaris unter hoher mechanischer Spannung steht", erklärt Ostermeier. "Dieser Nerv ist essenziell für die nervale Versorgung des Deltamuskels. Bereits eine Verzögerung des Einrenkens um eine halbe Stunde kann eine massive Funktionsstörung des Nervs für mehrere Wochen auslösen." Erste Hilfe bei ausgekugelter Schulter Der Facharzt für Orthopädie empfiehlt, die betroffene Schulter bis zur Behandlung möglichst ruhig zu halten und keinesfalls zu belasten. Gegen den akuten Schmerz helfen Schmerzmittel, etwa mit dem Wirkstoff Ibuprofen. Kühlung ist ebenfalls hilfreich, um die oft starke Schwellung einzudämmen. Am besten befreit man die betroffene Schulter von Kleidungsstücken, damit diese aufgrund der Schwellung nicht in die Haut schnürt – was den Schmerz verstärken kann. Auf keinen Fall sollte man versuchen, den herausgesprungenen Oberarmkopf selbst wieder einzurenken, da dies mit einem hohen Risiko für Schäden an Bändern und Nerven einhergeht. So renkt der Orthopäde die Schulter wieder ein In bestimmten Fällen kann der behandelnde Arzt oder die Ärztin die Schulter manuell wieder einrenken. Das luxierte Gelenk kann mit verschiedenen Techniken wieder in die richtige Position gebracht werden. Mediziner sprechen von Reposition. "Bei diesem Manöver ist viel Geschick und Erfahrung notwendig, um das manchmal hochgradig verkeilte Gelenk ohne zusätzliche Schäden wieder korrekt einzustellen", sagt Ostermeier. "Zu den angewendeten Repositionstechniken gehören unter anderem die Reposition nach Hippokrates und die Reposition nach Arlt." Bei der Reposition nach Hippokrates liegt der Patient auf dem Rücken, der Arzt drückt seine Ferse als Gegengewicht in die Achsel des Patienten und zieht den ausgerenkten Arm fußwärts nach außen. Bei der Reposition nach Arlt sitzt der Patient seitlich auf einem Stuhl. Der ausgekugelte Arm hängt über die gepolsterte Lehne. Durch Längszug am Arm bei gebeugtem Ellbogen versucht der Orthopäde, die Schulter einzurenken. Tut das Einrenken weh? Für das konservative Einrenken braucht es etwas Mut. Die ausgerenkte Schulter an sich schmerzt bereits stark. Durch das manuelle Einrenken der Schulter kann der Schmerz massiv verstärkt werden. Aus diesem Grund bekommt der oder die Betroffene in der Regel ein starkes Schmerzmittel oder eine örtliche Betäubung verabreicht. "Manchmal ist eine Kurznarkose notwendig, um die umgebende Muskulatur für das schadenfreie Repositionsmanöver ausreichend zu entspannen", sagt Ostermeier. Ausgekugelte Schulter: Wann eine Operation nötig ist Kommt es aufgrund der Auskugelung des Oberarmkopfes aus der Gelenkpfanne zu Begleitverletzungen, bleibt Betroffenen eine Operation meist nicht erspart. Das gilt auch, wenn Komplikationen auftreten, die der Arzt nicht ohne Eingriff behandeln kann, etwa gerissene Bänder, Verletzungen der Rotatorenmanschette, Risse des Knorpelrings oder ein begleitender Knochenbruch. Das Operationsverfahren wird in Abhängigkeit der vorliegenden Verletzung gewählt. "Es existieren mehrere Operationsmethoden. Diese dienen primär der Refixation des abgerissenen Faserknorpelrings (Labrum), der die Gelenkpfanne umgibt. In der Regel refixiert der Orthopäde diese Gelenklippe mithilfe arthroskopischer Techniken, also ohne große Eröffnung des Schultergelenks", erläutert der Facharzt für Orthopädie. "Daneben kann eine Straffung der Gelenkkapsel sowie eine Sehnennaht erforderlich sein. Manche Verletzungen sind so ausgeprägt, dass ein größerer chirurgischer Eingriff notwendig wird. Meist wird aber versucht, über das 'Schlüsselloch-Verfahren', also die Gelenkspiegelung, zu behandeln." Ausrenken vorbeugen: Das können Betroffene tun Direkt nach dem Einrenken der Schulter schützen Bandagen und Orthesen die Schulter. Regelmäßige Physiotherapie hilft, das Gelenk wieder zu stabilisieren. Nach der Operation ist es wichtig, dass der Patient die vorgegebenen Bewegungseinschränkungen strikt einhält, damit die Schulter heilen kann. Frühestens nach drei bis sechs Monaten ist die Behandlung beendet. Bei anlagebedingter Instabilität ohne Verletzungsursache empfiehlt der Experte ein gezieltes Muskelaufbautraining mit Kraftgeräten: "Den besten Präventivschutz bietet ein fundiertes Koordinationstraining der Schultermuskulatur unter professioneller Anleitung." Gefahr einer erneuten Schulterluxation Ohne orthopädische Therapie ist die Gefahr groß, dass das Gelenk erneut auskugelt. Je jünger ein Patient ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, eine chronische, also anhaltende Schulterinstabilität zu entwickeln: "Patienten, die bei der Erstluxation unter 20 Jahren sind, haben eine Wahrscheinlichkeit von über 80 Prozent für eine erneute Luxation", weiß Ostermeier.
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