Der "Tatort: Mike & Nisha" ist als psychologisch aufgeladene Milieustudie angelegt, scheitert jedoch. Statt Raffinesse gibt es einen Aufguss altbekannter Rezepte. Frankenthal , Emil-Nolde-Ring: ein ruhiges Wohnviertel, akkurat geschnittene Hecken, Vogelgezwitscher. Hier trifft Mike (Jeremias Meyer) seine Eltern zum Abendessen – an seiner Seite: Freundin Nisha (Amina Merai). Es ist das erste Kennenlernen, doch kaum fallen die Worte "Hochzeit" und "Schwangerschaft", kippt die Stimmung. Kurz darauf sind zwei Menschen tot, und das Wohnzimmer ist übersät mit Blut. Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter) übernehmen die Ermittlungen. Unterstützt werden sie vom jungen Nico (Johannes Scheidweiler) und der neuen Kollegin Mara (Davina Chanel Fox). Schon bald rückt die Beziehung zwischen Mike und Nisha in den Fokus – ebenso wie ihre Nachbarschaft. Besonders der alleinstehende Erwin Rammthor (Wolf Bachofner) mischt sich zunehmend ein. Mit strengem Blick und Notizen zum Tagesablauf verfolgt er jede Bewegung des Paars – und zieht daraus seine eigenen Schlüsse. Schon nach wenigen Minuten steht fest, worauf dieser "Tatort" hinausläuft. Der Film macht keinen Hehl daraus, wer für die Bluttat verantwortlich ist – das eigentliche Verbrechen gerät dadurch zur Nebensache. Statt eines offenen Kriminalfalls mit Rätseln und Wendungen setzt das Drehbuch auf eine Rückwärtserzählung: Das "Was" ist sofort klar, das "Warum" soll nachträglich Spannung erzeugen. Doch genau hier bleibt der Film blass. Die psychologische Tiefe, die eine solche Struktur rechtfertigen müsste, fehlt. Ein Spannungsbogen ist kaum wahrnehmbar Auch formal bringt der Film wenig Dynamik mit: Erklärdialoge treten an die Stelle echter Konflikte, der Plot bewegt sich schwerfällig durch die Kulisse. Ein Spannungsbogen? Kaum wahrnehmbar. Wenn sich der Film in seinen ruhigen Momenten Zeit nimmt, dann nicht, um Figuren zu vertiefen – sondern um Bekanntes auszubreiten. Dass sich am Ende niemand als wirklich unschuldig entpuppt, wirkt mehr bemüht als konsequent. Lena Odenthal gehört zu den bekanntesten Figuren im "Tatort"-Kosmos – und doch wirkt sie in "Mike & Nisha" wie eine Kommissarin auf Stand-by. Befindet sich Ulrike Folkerts als dienstälteste Kommissarin etwa bereits auf Abschiedstournee? Sie zitiert Shakespeare, macht aufreizende Dehnübungen vor dem Kommissariat und bleibt letztlich eine Randfigur in einem Film, der keine zentrale Perspektive entwickelt. Gespenstisch blass torkelt sie an der Seite ihrer Kollegin durch das Geschehen, ohne es je zu prägen. Zumal die Neuzugänge im Team mehr und mehr zur störenden Staffage werden. Johannes Scheidweiler spielt den Nachwuchsermittler Nico mit einem auffälligen Hang zum Klischee – irgendwo zwischen Nerd und Navigationshilfe. Davina Chanel Fox als Mara wiederum fällt lediglich mit ihrem penetrant vorgetragenen Dialekt auf. Die Teamdynamik wirkt in Ludwigshafen so steril wie das spießbürgerlich eingerichtete Einfamilienhaus der Mordopfer. Der Stasi-Nachbar im Südwestrundfunk Womit wir bei der Nachbarschaft der biederen Vorstadtkulisse sind: Der kontrollsüchtige Nachbar Erwin Rammthor, gespielt von Wolf Bachofner, ist die mit Abstand prägendste Figur in dem Film – und gerät doch zur Karikatur. Der Schauspieler agiert mit sichtbarem Einsatz, doch die Figur wirkt zu grob gezeichnet: Als würde ein Stasi-Schatten durch den pfälzischen Vorgarten huschen. Dass sich ausgerechnet im Südwesten der Republik ein solcher Typus manifestiert, wirkt nicht nur unpassend – es entbehrt auch jeder erzählerischen Logik. Dabei arbeitet Kamerafrau Cornelia Janssen mit klaren, oft streng gerahmten Bildern, die die Enge der Vorstadtwelt wirkungsvoll einfangen. Die Gärten wirken wie Schaufenster, die Häuser wie Bühnenbilder – alles ist aufgeräumt, akkurat und doch bedrückend. Auch die Musik von Lasse Winkler versucht, das Unbehagen hörbar zu machen, mit dissonanten Klängen und nervösen Tönen. "Mike & Nisha" ist nach zehn Minuten auserzählt Doch Bildgestaltung und Tonspur laufen ins Leere, weil ihnen das erzählerische Gegengewicht fehlt. Regisseur Didi Danquart gelingt es nicht, aus der visuell gesetzten Ordnung eine inhaltliche Spannung zu entwickeln. Der Rhythmus des Films ist durchweg träge und verliert sich im eigenen Anspruch auf Bedeutungsschwere. Selbst der Showdown auf der Baustelle, der als Höhepunkt inszeniert ist, wirkt eher wie ein Pflichttermin – konstruiert, gesetzt, abgearbeitet. "Mike & Nisha" verlässt sich auf eine Ausgangsidee, die nach zehn Minuten auserzählt ist. Die Figuren sind Mittel zum Zweck, ihre Konflikte bleiben Behauptungen. Der Film deutet Tiefe an, ohne sie je zu erreichen. Selten hat ein Odenthal-"Tatort" derart enttäuscht.