Beim Turnier in Cincinnati erregte Ella Seidel mit ihrem Sieg gegen US-Star Emma Navarro Aufmerksamkeit. Außergewöhnliche Leistungen zeigt sie aber nicht nur auf dem Tennisplatz. Mit einer einfachen geballten Faust und einem leichten Grinsen im Gesicht feierte Ella Seidel ihren Sieg gegen Emma Navarro in der zweiten Runde der Cincinnati Open. Es wirkte fast, als sei ein Sieg gegen die Weltranglisten-Elfte bei einem Masters-Turnier für sie reine Routine. Tatsächlich war der Sieg Seidels aber eine faustdicke Überraschung. Auf der ganz großen Tennisbühne war die 20-jährige Deutsche bislang nämlich kaum in Erscheinung getreten. Doch mit dem Sieg gegen Topspielerin Navarro, die im vergangenen Jahr bei den US Open noch im Halbfinale stand, unterstrich Seidel ihre Ambitionen. Bereits früh wollte sie hoch hinaus – und sah dabei selbst ihre außergewöhnlichen schulischen Erfolge nur als Mittel zum Zweck. Der Einzelsport reizte sie Seidel wurde in Hamburg geboren und begann bereits im Alter von sechs Jahren mit dem Tennis beim Hamburger Klub Klipper THC. Anfangs spielte sie dort auch noch Hockey, entschied sich dann aber schnell für den Einzelsport Tennis, "weil es mich gereizt hat, allein auf dem Platz zu stehen, wo es nur Gewinnen oder Verlieren gibt", sagte sie dem "Hamburger Abendblatt". National folgten schnell die ersten Erfolge. Zweimal wurde Seidel deutsche Meisterin bei den Juniorinnen, ließ dann auch einen Meistertitel bei den Damen folgen. Es folgten auch internationale Auftritte, wie die Teilnahme an allen Juniorenwettbewerben der vier Grand-Slam-Turniere. Im Doppel erreichte sie mit Partnerin Carolina Kuhl sogar das Endspiel bei den US Open. Erste Grand-Slam-Teilnahme Schnell folgten dann die ersten Teilnahmen an Damenturnieren, und in recht kurzer Zeit drang sie in die Top 200 der Weltrangliste vor. Ihr bislang größter Erfolg: 2024 spielte sie bei den Australian Open eine bärenstarke Qualifikation und schaffte den Sprung ins Hauptfeld. Es war ihre bislang erste und einzige Teilnahme im Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers auf Damenniveau. Immerhin wird ihr das Erlebnis wohl länger in Erinnerung bleiben, denn sie bestritt ihre Erstrundenpartie gegen die damalige Titelverteidigerin und heutige Weltranglistenerste Aryna Sabalenka . Es wurde eine deutliche 0:6-/1:6-Niederlage. Dass Seidel seitdem einen großen Sprung nach vorn gemacht hat, zeigt der Sieg gegen Navarro. Doch der 20-Jährigen reicht das noch nicht. Bereits früh formulierte sie für ihre Karriere hohe Ziele. Im Alter von 15 Jahren sagte sie dem "Hamburger Abendblatt": "Mein Traum ist, in die Top Ten der Welt zu kommen und ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen." Vor allem die French Open hat sie dabei ins Auge gefasst, "denn Sand ist mein Lieblingsbelag". Wie zielstrebig sie dabei ist, zeigt auch ihre schulische Karriere. Seidel besuchte die Eliteschule des Sports am Alten Teichweg in Hamburg – doch das nur bis 2022. Denn Seidel übersprang gleich zwei Klassen und legte ihr Abitur schon im Alter von 17 Jahren ab. Sie selbst sah das jedoch nur als Mittel zum Zweck: "So kann ich ein Jahr früher alles auf meine Tenniskarriere setzen", sagte sie dem "Hamburger Abendblatt". Cincinnati könnte zum Sprungbrett werden Um sich gänzlich auf Tennis konzentrieren zu können, müssen jedoch auch die Einnahmen stimmen. Nach WTA-Angaben hat sie auf der Tour bislang Preisgelder in Höhe von 148.712 US-Dollar (rund 127.700 Euro) eingespielt. Durch den Einzug in die 3. Runde werden in Cincinnati mindestens weitere 33.000 US-Dollar (rund 28.337 Euro) hinzukommen. Summen, die jedoch auch die Reise- und Trainerkosten eines Profis finanzieren müssen. Jede Runde bei einem solch großen Turnier wie dem in Cincinnati ist für eine junge, aufstrebende Spielerin wie Seidel also auch ein finanzieller Gewinn. Das gilt ebenfalls mit Blick auf die Weltrangliste: Durch den Einzug in die dritte Runde wird Seidel 65 Punkte hinzubekommen. Damit stößt die aktuell Weltranglisten-125. in die Region der Platzierung 110 vor und kommt dem nächsten Etappenziel, dem Einzug in die Top 100, immer näher. Sollte sie in Cincinnati noch eine Runde überstehen, würde sie mit dann gewonnenen 120 Punkten und 56.703 US-Dollar Preisgeld (rund 48.692 Euro) schon bis auf wenige Punkte an dieses Ziel heranrücken. Der Sieg gegen Top-Spielerin Navarro wird deshalb nicht nur dem Selbstbewusstsein Seidels zuträglich sein – er könnte auch zum wichtigen Sprungbrett für die junge Deutsche werden, um ihre ehrgeizigen Ziele zu erreichen.