Trump droht mit Zöllen: Experte sieht Bluff der USA

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Die EU stand kurz vor einem Deal mit den USA, doch dann schickte Donald Trump einen Brief. Europa müsse im Angesicht neuer Drohungen Stärke demonstrieren, sagt ein Experte. Die Europäische Union hat neue Zölle gegen die Vereinigten Staaten vorbereitet. EU-Handelskommissar Maroš Šefčovič kündigte am Montag an, dass Importe aus den USA im Wert von 72 Milliarden Euro mit Strafzöllen belegt werden könnten, sollten die Verhandlungen mit Washington bis zum 1. August scheitern. Betroffen wären insbesondere Industrie- und Agrarerzeugnisse. Auslöser sind neue Zolldrohungen von Donald Trump . Der US-Präsident hatte sich in einem Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erneut über die vermeintlich ungleichen Handelsbeziehungen beklagt und ab dem 1. August neue Einfuhrzölle in Höhe von 30 Prozent auf europäische Waren angekündigt. Insgesamt drohte Trump zuletzt mehr als 25 Ländern mit neuen oder erhöhten Importzöllen, darunter Mexiko , Brasilien , Japan, Südkorea und Indien. EU verhandelt mit den USA über Zölle Trumps Drohbrief platzt mitten in die aktuellen Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten über ihre Handelsbeziehungen, die Trump mit der Ankündigung von Zöllen im April ausgelöst hatte. Üblicherweise braucht es Jahre, um Handelsverträge abzuschließen, doch aufgrund von Trumps Drohungen bleiben dafür jetzt nur noch wenige Wochen. Newsblog : Alle aktuellen Nachrichten über Trump und die USA 100 Prozent : Trump droht Russlands Verbündeten mit Strafzöllen Der Prozess wird außerdem erschwert, weil die USA mit fast allen Handelspartnern gleichzeitig verhandelt. Trump hat kaum ein Land von seinen Zöllen ausgeschlossen. Bislang konnten nur Großbritannien und Vietnam neue Handelsverträge mit den USA abschließen – jedoch ohne umfassende Zollsenkungen. Beide Deals enthalten weiterhin zweistellige Zollraten auf zentrale Produktgruppen. Trotzdem hatten Verhandler der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten zuletzt wohl kräftige Fortschritte gemacht und durchscheinen lassen, dass sie kurz vor einem Abkommen stehen würden. Der Brief sei nun Teil von Trumps Verhandlungstaktik, erklärt Jürgen Matthes, Ökonom vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft, t-online. "Trump verhandelt wie ein Immobilienmogul. Er erhöht jetzt den Einsatz und versucht, auf den letzten Drücker das Beste herauszuholen", sagt Matthes. Experte fordert "automatische" Gegenmaßnahmen In der EU hat die Drohung Unsicherheit ausgelöst, wie es nun weitergehen soll. Einige Mitgliedstaaten wie Frankreich und Österreich drängen auf ein sofortiges Inkraftsetzen der Gegenzölle. "Oberster Fokus liegt natürlich auf den Verhandlungen, aber ich glaube, wir sollten parallel auch die Gegenmaßnahmen in Kraft setzen", erklärte etwa Österreichs Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP). Andere Länder, darunter Deutschland, setzen weiter auf Gespräche. Bundeskanzler Friedrich Merz sagte im ARD-"Sommerinterview", er engagiere sich "intensiv" für eine Einigung vor dem Stichtag. Ökonom Matthes fordert die EU hingegen auf, gegenüber Trump Stärke zu demonstrieren. "Ohne eigenes Drohpotenzial verliert die EU Glaubwürdigkeit und Verhandlungsmacht", erklärte er. Wenn die EU schon nicht sofort Gegenmaßnahmen einführt, dann solle sie zumindest ein Paket beschließen, das automatisch in Kraft tritt, sollten die Zölle am 1. August kommen. US-Industrie ist auf deutsche Maschinen angewiesen Trump reagierte in den zahlreichen Handelskonflikten, die er mit Nachbarn, Verbündeten und Widersachern provoziert hat, wiederholt sehr ungehalten auf Gegenwehr. In einem kostspieligen Schlagabtausch mit China erhöhte Trump die Zölle auf chinesische Produkte etwa innerhalb weniger Tage auf 145 Prozent. Inzwischen liegen sie bei 30 Prozent. Auch in dem Brief an von der Leyen warnte der US-Präsident vor Gegenmaßnahmen – der US-Zollsatz würde entsprechend erhöht werden. Matthes hält Trumps Gebaren jedoch für einen Bluff. "Seine Drohung erscheint nicht glaubwürdig", sagt er. Denn mit der Einführung der angekündigten Zölle würde er "seine eigene Wirtschaft stark schädigen". Der US-Präsident habe erklärt, das produzierende Gewerbe im eigenen Land stärken zu wollen. Dafür bräuchten die USA aber Maschinen aus der EU und speziell aus Deutschland. "Die USA brauchen viele unserer Industrieprodukte, diese können kurzfristig nicht so leicht ersetzt werden. Damit können die deutschen Hersteller dieser Güter die Zölle weitgehend in den Preisen weitergeben – zulasten der US-Wirtschaft", sagt Matthes. Deshalb sei Trumps Verhandlungsposition schwächer, als er denke. Kneift Trump erneut? Matthes hält es zudem für "durchaus wahrscheinlich", dass Trump die Zölle erneut verschiebt. So hatte Donald Trump aufgrund von wirtschaftlichem Druck und fallenden Aktienkursen wiederholt erst Zölle angekündigt und dann wieder ausgesetzt. An der Börse brachte ihm das den Spitznamen "Taco" (Trump always chickens out – auf Deutsch: Trump kneift immer) ein. Doch ganz berechenbar war Trump nie – nicht immer hat er gekniffen. Tatsächlich hat Donald Trump seit seinem Amtsantritt die durchschnittlichen US-Zölle drastisch erhöht. Laut einer Auswertung der Yale Universität stieg der effektive Zollsatz von 2,5 Prozent im Januar 2025 auf inzwischen 16,6 Prozent. Sollte er seine aktuellen Drohungen wahr machen, könnte der Satz auf bis zu 20,6 Prozent steigen. Das wäre der höchste Stand seit dem Jahr 1910. Die hohen Zölle haben der US-Administration Einnahmen in Milliardenhöhe beschert. Diese werden jedoch von Importeuren aus den USA bezahlt, die ihre Preissteigerungen wohl unweigerlich an Verbraucher weitergeben werden. Wie aktuelle Wirtschaftsdaten zeigen, steigen die Preise in den USA derzeit nicht stark an. Das könnte sich jedoch bald ändern. Trumps Zölle könnten sich erst mit einiger Verspätung auf die Preise auswirken und somit die Inflation anheizen, schätzen Experten. Welche Konsequenzen die Zölle auf Deutschland hätten Sollte Trump seine Drohung gegen die EU wahrmachen, hätte das weitreichende Konsequenzen. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat ausgerechnet, dass ein Zollsatz von 10 Prozent noch "mit ordentlichen Schmerzen verkraftbar" wäre, so Matthes. "30 Prozent sind das nicht mehr. Das würde den Handel stark beeinträchtigen", sagt der Ökonom. "Das wäre ein Einschnitt, der einzelne Unternehmen stark treffen würde", so Matthes weiter. Doch mittelfristig sei es möglich, hohe US-Zölle zu kompensieren. Dafür müsste die EU jedoch Barrieren im eigenen Binnenmarkt abbauen, neue Freihandelsabkommen abschließen und sich auf dem Weltmarkt umorientieren. Der Ökonom gibt sich zuversichtlich, dass das möglich sei. Er rechnet vor, dass etwa der Export von deutschen Gütern nach China in den vergangenen fünf Jahren um sechs Milliarden Euro gesunken ist. Dieser Verlust konnte jedoch fast vollständig durch die Handelsbeziehungen mit Indien ausgeglichen werden, denn in der gleichen Zeit sei der Export nach Indien um fünf Milliarden Euro angestiegen.
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