Das Loch im russischen Haushalt klafft immer weiter. Mit der Etatplanung für das kommende Jahr versucht der Kreml gegenzusteuern. Zahlen muss die Bevölkerung. Russland plant für das Jahr 2026 eine Reduzierung seiner Verteidigungsausgaben – zum ersten Mal seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine . Wie aus dem Haushaltsentwurf hervorgeht, soll der Verteidigungsetat von derzeit 13,5 auf 12,6 Billionen Rubel gesenkt werden. Das entspricht einem Rückgang von 6,7 Prozent. Beobachter sehen darin jedoch kein Zeichen für eine Entspannung des Krieges, sondern einen Ausdruck der wachsenden ökonomischen Belastung. Denn während die Ausgaben im Verteidigungsressort sinken, steigen die Mittel im Bereich "Nationale Sicherheit und Exekutive" um rund 500 Milliarden Rubel – von 3,56 auf 4,07 Billionen. Zusammengenommen bleibt das Gewicht der sicherheits- und militärbezogenen Ausgaben auf dem Niveau der Vorjahre. Laut "Welt" machen sie weiterhin rund 40 Prozent des Haushalts aus – oder etwa acht Prozent des russischen Bruttoinlandsprodukts. Putin unter Druck: Fabriken im Notbetrieb Kein Gas für Transnistrien: Pro-russische Separatistenregion steht vor Wirtschaftskollaps Keine Neuausrichtung der Kriegsfinanzierung Auch laut der russischen Ökonomin Alexandra Prokopenko ergibt sich daraus nur ein "minimaler Rückgang" dieser Ausgaben: "Das Budget weist eine nominelle Reduktion der Verteidigungsausgaben auf [...], aber die Ausgaben in der angrenzenden Kategorie – nationale Sicherheit und Strafverfolgung – steigen", schreibt Prokopenko für die Denkfabrik Carnegie Russia Eurasia Center. Der kombinierte Effekt sei ein Rückgang von lediglich 0,6 Prozent. Eine grundsätzliche Neuausrichtung der Kriegsfinanzierung sei daraus nicht abzuleiten. Vielmehr stellt sich die Frage, wie diese Ausgaben künftig finanziert werden sollen. Der Haushaltsentwurf für 2026 sieht erhebliche Steuererhöhungen vor. So soll die Mehrwertsteuer von 20 auf 22 Prozent steigen. Gleichzeitig wird die Schwelle, ab der Unternehmen zur Zahlung verpflichtet sind, massiv gesenkt: von 60 auf 10 Millionen Rubel Jahresumsatz. Laut "Moscow Times" könnte das rund 450.000 kleine Unternehmen betreffen. Russland will Defizit senken "Nach drei Jahren gesteigerter Ausgaben – etwa zehn Prozent des BIP zwischen 2022 und 2024 – reduziert das Finanzministerium den fiskalischen Stimulus", schreibt Ökonomin Prokopenko . Das Ziel: ein ausgeglicheneres Budget bei gleichzeitig hohen Verteidigungsausgaben. Auch das Defizit soll sinken – von geschätzten 2,6 Prozent des BIP im Jahr 2025 auf 1,6 Prozent im kommenden Jahr. Möglich wird das nur durch höhere Steuern , neue Schulden und geringere Ausgaben in anderen Bereichen. Besonders betroffen sind zivile Entwicklungsprogramme. Laut "Moscow Times" werden etwa die Mittel für die ländliche Entwicklung um 30 Prozent gekürzt, die für die Luftfahrtindustrie um fast 30 Prozent, die für das Energieprogramm um mehr als ein Viertel. Der Bereich der medizinischen Grundversorgung soll von 123,3 auf 53,2 Milliarden Rubel halbiert werden. Wirtschaftsprognosen prophezeien geringeres Wachstum Die wirtschaftlichen Folgen sind bereits sichtbar. Während das russische Bruttoinlandsprodukt in den Jahren 2023 und 2024 durch hohe Rüstungsausgaben noch kräftig wuchs, rechnet das Wirtschaftsministerium für 2025 nur noch mit einem Wachstum von einem Prozent. Auch für 2026 erwartet die Regierung laut Expertin Prokopenko ein "schwaches Wachstum" von rund 1,3 Prozent. Die Inflation bleibt hoch, die Zentralbank hält den Leitzins bei 17 Prozent – Investitionen werden dadurch erschwert, Kreditvergaben gehemmt. Russland muss umdisponieren: Kreml reagiert auf akuten Treibstoffmangel Vor diesem Hintergrund erscheint auch die Kürzung der Militärausgaben in anderem Licht: Sie ist weniger ein Signal der Entspannung als vielmehr eine Anpassung an wirtschaftliche Grenzen. Laut "New York Times" will Moskau den Krieg "größtenteils mit Soldaten führen, die effektiv als Söldner agieren und nur wegen der relativ hohen Bezahlung kämpfen". Diese Strategie habe das Haushaltsdefizit vergrößert, nun müsse der Staat gegensteuern. "Kapazitäten nahezu vollständig ausgelastet" Die Ursachen für die finanzielle Schieflage liegen auch im Rückgang der Einnahmen: Die Öl- und Gaseinnahmen sollen 2025 laut "New York Times" auf etwa 100 Milliarden Dollar sinken – ein Rückgang um rund 35 Milliarden im Vergleich zum Vorjahr. Der Krieg, die westlichen Sanktionen und Preisnachlässe für Exporte nach China und Indien belasten das Budget zusätzlich. Auch strukturell hat sich die Wirtschaft verändert. Die hohe Auslastung von Produktionskapazitäten und Arbeitsmärkten limitiert weiteres Wachstum. "Es gibt keine freien Arbeitskräfte mehr, und die Produktionskapazitäten – auch die militärischen – sind nahezu vollständig ausgelastet", schreibt Alexandra Prokopenko in ihrer Analyse. Ohne Produktivitätssteigerungen sei kein weiteres Wachstum möglich. Trotz der Kürzung bleibt das Budget klar auf Kriegsführung ausgerichtet. Ein Ende der militärischen Priorisierung ist nicht in Sicht – im Gegenteil: Ab 2027 sollen die Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit wieder steigen.