Einst trainierte er deutsche Klubs, nun muss Dick Advocaat mit Curaçao bei der WM gegen das DFB-Team bestehen. Sein Engagement in der Karibik hat ihn gehörig verändert. Dick Advocaat gab sich überraschend gelassen. "Ich muss keine Interviews mehr geben", sagte Curaçaos Nationaltrainer der Amsterdamer Zeitung "NRC Handelsblad" in einem überraschend offenen Gespräch. Mit seinem Team ist er bei der Fußball-WM im kommenden Jahr erster Gruppengegner der deutschen Nationalmannschaft – und hat bereits einen Rekord sicher. Das Spiel gegen Deutschland am 14. Juni 2026 macht ihn zum ältesten Trainer der WM-Geschichte. Der 78-Jährige löst Otto Rehhagel ab, der 71 Jahre alt war, als er Griechenland bei der WM 2010 in Südafrika betreute. Bis zur Weltmeisterschaft in den USA, Mexiko und Kanada arbeitet Advocaat allerdings noch an einem neuen Image. Scouten nach Spielern mit Wurzeln in Curaçao Als Co-Trainer des strengen "Oranje"-Coachs Rinus Michels galt er lange als der "kleine General". "Du spielst! Du nicht", erinnerte er sich an Michels' autoritären Führungsstil, den er lange für sich übernommen hatte. Sei es als WM-Trainer der Niederlande (1994) und Südkoreas (2006) oder als Klubcoach etwa in der Bundesliga bei Borussia Mönchengladbach . "So war ich. Spieler mussten arbeiten. Wenn es nicht nach meinen Vorstellungen lief, konnte ich knallhart sein", erklärte Advocaat. "Ich konnte nicht anders", fügte er hinzu. Das klingt altersmilde. Doch auch sein Engagement in Curaçao, zu dem er durch den Sohn seines Co-Trainers Cor Pot kam, hat den Coach verändert. "Knuffeln" etwa ist eine besondere niederländische Form des sich Umarmens und Herzens. Der distanzierte Advocaat galt dieser Begrüßungsform lange als unverdächtig. Jetzt offenbarte er der Zeitung: "Die Begrüßung ist anders als das, was Spieler eigentlich machen. Aber ich dachte: 'Okay, sie knuffeln sich, dann knuffel' ich eben mit.'" Curaçao ist seit 2010 innerhalb des Königreichs der Niederlande eine autonome Nation. So stieg das Land zum Fifa-Mitglied auf, profitiert aber weiter von der niederländischen Fußballschule. Ein Beispiel: Kenji Gorré, Sohn von Advocaats Assistent Dean Gorré, läuft für Curaçao auf. Dabei wurde er nahe Amsterdam geboren und durchlief die Jugendmannschaften von "Oranje". Ebenso wie Kapitän Leandro Bacuna und dessen Bruder Juninho, beide stammen aus Groningen. Übrigens: Curaçao liegt in der Karibik, spielt aber mit niederländischem Akzent. Advocaat hat lange nach Spielern mit Verbindungen zu Curaçao gesucht, die noch kein Spiel für die niederländische Nationalmannschaft absolviert hatten. Fündig wurde er dabei unter anderem in deutschen Ligen. Der ehemalige Bochumer Jürgen Locadia ist im niederländischen Emmen geboren, Jordi Paulina von Borussia Dortmund II stammt aus Odijk. Der frühere Bundesliga-Coach hat seither eine Einheit geschaffen, in der er versucht, viele Wünsche zu erfüllen. So wünschte sich die Mannschaft etwa einen offenen Bus ohne Glas in den Fenstern. Und so kam es. Im Hotel mischte sich die Elf beim Frühstück unter andere Gäste, und in der Kabine wummern laut die Bässe. "Nicht meine Musik, aber ich bin dabei", sagte Advocaat und fügte hinzu: "Wenn sie beten, dann bete ich mit." Teambildung mithilfe von ganz oben. Advocaat hat in seinem Trainerleben viel gesehen. Auch Russland. Der Trainer erinnerte sich, wie Wladimir Putin ihn 2009 fragte, warum er Zenit Sankt Petersburg verlassen wolle. Da ihn Heimweh plagte, machte Putin kurzerhand einen Privatjet für den damaligen Coach klar. Dennoch war Advocaat bald darauf weg. Immerhin: Ein Uefa-Cup und ein Super-Cup-Sieg 2008 bleiben aus der Zeit mit Zenit. Und heute? "Was soll man dazu noch sagen?!", so Advocaat über Putin. Er sagte nach der WM-Auslosung am vergangenen Wochenende aber auch: "Dafür sitze ich jetzt in einem Saal mit Donald Trump ." Sein Fokus liegt nun weniger auf der Politik und mehr auf dem Sport. Advocaat konzentriert sich vor allem auf Curaçaos WM-Debüt am 14. Juni gegen Deutschland. "Wir werden bei der WM nicht das offensiv stärkste Team sein, aber wir werden alles geben", stellte der Trainer klar. Er sagt aber auch: "Wir werden, wie ich stets sage, die Lücken nutzen, die Momente suchen, in denen wir angreifen können. Die Elf ist ungemein motiviert."