Er rappt über Koks, Suizid und Depression, trägt Louis Vuitton und fährt im Mercedes vor. Eine Netflix-Doku widmet sich nun Aykut Anhan alias Haftbefehl – produziert von Elyas M'Barek. Aykut Anhan albert als Kind mit seinen beiden Brüdern am Esstisch herum und wird von einer weiblichen Stimme aus dem Off ermahnt, keinen Quatsch zu machen. Schnitt. Aykut Anhan sitzt als erwachsener Mann auf einer Treppe in seinem Haus und starrt vor sich auf den Boden, während seine Kinder und seine Frau in den Urlaub fahren – ohne ihn. Schnitt. Haftbefehl sitzt nach vorn gebeugt auf dem Beifahrersitz, Schweiß rinnt ihm die Schläfen hinunter. Schnitt. Haftbefehl rappt auf der Bühne, Fans kreischen. Schnitt. Krankenhausmaschinen piepsen. Schnitt. Mit Szenen wie diesen porträtiert die Netflix-Dokumentation "Babo – Die Haftbefehl-Story" den Rapper Haftbefehl. Von traumatischen Kindheitserlebnissen bis zur beinahe tödlich endenden Kokainsucht zeigen die Filmemacher, wie Haftbefehl zu dem geworden ist, der er heute ist – einer der erfolgreichsten Rapper Deutschlands und Familienvater mit Drogensucht. "Mir geht's gut, Brudi", sagt Aykut Anhan in den ersten Sekunden der Dokumentation. Und wenige Sätze später: "Ich war schon tot." Einer der beiden Produzenten der Dokumentation ist Elyas M'Barek. Warum er die Doku produziert hat und wer Aykut Anhan alias Haftbefehl für ihn ist, erzählt M'Barek im Gespräch mit t-online. Elyas M'Barek verneigt sich vor Haftbefehl M'Barek trägt während des Interviews eine dunkelblaue Fleecejacke mit Louis-Vuitton-Logo an Kragen und Ärmeln. Er ist Haftbefehl-Fan der ersten Stunde. "Haftbefehl ist für mich einer der bedeutendsten Rapper in Deutschland", sagt M'Barek. Für den Produzenten ist der Rapper ein "krasser Typ, der Raum einnimmt", und so habe M'Barek Aykut Anhan auch persönlich kennengelernt. Auf die Frage, warum M'Barek, der vor allem als Schauspieler bekannt ist, die Doku produziert hat, antwortet er: "Ich hatte die Idee, eine Doku zu machen, und Aykut wollte, dass ich sie produziere." Auch Haftbefehl erklärt in einer Szene der Doku die Gründe, warum er dieser Idee zustimmte: "Damit meine Geschichte, wenn mir etwas passiert, richtig erzählt wird – aus meiner Sicht", sagt er mit weit aufgerissenen Augen. Kindheitstrauma, Depression und Drogensucht Laut M'Barek ist Haftbefehls Geschichte eine, die sich wiederholt und die besonders tragisch ist: Als Aykut Anhan 14 Jahre alt war, haben er und seine zwei Brüder ihren Vater verloren. Er litt an Depressionen und starb durch Suizid. Das wissen Fans des Rappers nicht erst seit der Dokumentation. Haftbefehl thematisierte diesen Verlust bereits mehrfach in seiner Musik. "Ich kann niemals der Vater sein von der Kellogg's-Werbung", sagt Haftbefehl in der Doku, und das ist es, was M'Barek mit der sich wiederholenden Geschichte wohl meint. Haftbefehl kämpft wie sein Vater damals mit Depressionen, und er kann, wenn der Suchtdruck zu groß ist, nach eigenen Aussagen über Tage hinweg nicht für seine Frau und seine Kinder da sein. Dann ziehe er sich zurück und konsumiere Kokain. "Menschen tun mir schlechter als Koks", sagt Haftbefehl in der Doku und macht damit deutlich, wie tief er zu diesem Zeitpunkt in der Sucht feststeckt. "So wie Aykut nach dem Tod des Vaters für seinen kleinen Bruder da war, kümmerte sich der kleine Bruder später um ihn", sagt M'Barek. Der kleine Bruder heißt Cem Anhan und ist selbst als Rapper Capo bekannt. In der Doku sagt er: "Aykut war für mich ein Vater", und "wenn ich mir keine Sorgen machen würde, wäre ich nicht sein Bruder". Cem Anhan habe laut M'Barek Außerordentliches geleistet. "Es gibt Aykut und es gibt Haftbefehl" Aykut Anhan ist aber eben auch Haftbefehl, eine Rap-Figur, die sich nach außen hart gibt, die über Sex, Gewalt und Drogen rappt. "Seine Frau beschreibt das ganz schön, es gibt Aykut und es gibt Haftbefehl. Sie liebt Aykut, aber Haftbefehl nicht", sagt M'Barek, "viele wären überrascht, was für ein wirklich liebenswerter, witziger und sensibler Mann hinter Haftbefehl steckt". Mit der Doku haben M'Barek und seine Kollegen dem Rapper ein Denkmal setzen wollen. "Wir wollten einen Film, der ehrlich ist und keine glatt polierte Künstlerdoku", sagt M'Barek. Im Film sieht man, wie Haftbefehl bei einem Auftritt zusammenbricht. In einer Interviewszene erzählt er von seinem Suizidversuch durch eine Überdosis Kokain. Man sieht eine nachgestellte Krankenhausszene, die zeigen soll, dass der Rapper in Lebensgefahr schwebte. In einer anderen Szene sagt Anhan, dass er gar nicht aufhören wolle, Drogen zu konsumieren. "Der Film zeigt nur die Spitze des Eisbergs", sagt M'Barek, "aber es gibt genug Szenen, die das Blut in den Adern gefrieren lassen". M'Barek verneige sich vor Haftbefehls Offenheit, Mut und Sensibilität: "Er wollte, dass die Leute ihn genau so sehen", sagt M'Barek, "das zeigt, was für ein außergewöhnlicher Mensch und Künstler er ist. Und ich wünsche mir, dass es jetzt nur noch bergauf geht." Hinweis: Falls Sie viel über den eigenen Tod nachdenken oder sich um einen Mitmenschen sorgen, finden Sie hier sofort und anonym Hilfe.