Maria Furtwängler: Die "Tatort"-Kommissarin im Interview

latest news headlines 7 std vor
Flipboard
Seit 23 Jahren spielt Maria Furtwängler die Rolle der "Tatort"-Kommissarin Charlotte Lindholm. Mit t-online spricht sie über Frauen, Aufbruch und Überforderungen. Nachdem sie die vergangenen sechs Jahre in Göttingen ermittelt hat, darf Charlotte Lindholm wieder nach Hannover zurückkehren. Am Sonntag, 26. Oktober, ist Maria Furtwängler im neuen "Tatort: Letzte Ernte" im Alten Land in Niedersachsen zu sehen. Für die Schauspielerin, die seit über zwei Jahrzehnten die knallharte Ermittlerin spielt, war es ein wenig wie ein Nachhausekommen. "Ich habe mich riesig gefreut, 'back to the roots' zu gehen", sagte sie im t-online-Interview. "Charlotte als Einzelkämpferin mit eigenwilligen Methoden auf dem Land ermittelnd – so hat alles mal angefangen." Tatsächlich ermittelte Lindholm 2002 in ihrem ersten Fall in einem kleinen Dorf namens Lastrum nahe Vechta. Ist das noch "Tatort" oder schon Horror: Darum geht es im neuen Krimi Jetzt stehen alle Zeichen wieder auf Anfang, und die niedersächsische Bodenständigkeit steht Furtwängler gut. Unbeeindruckt und unerschrocken sucht sie auch in ihrem neuesten Fall auf einem Biobauernhof nach Antworten, denn eine kopflose Leiche in der Scheune wirft Fragen auf. Nebelige Felder, quietschende Türen, im Wind schwingende Lampen und eben der kopflose Tote, dessen Haupt wie auf wundersame Weise verschwunden ist, das wirkt skurril, fast schon wie ein Horrorfilm. Für Furtwängler hat der "Tatort", der, ob Zufall oder nicht, nur wenige Tage vor Halloween ausgestrahlt wird, nichts mit Grusel zu tun. "Ich mag überhaupt keine Horrorfilme, ich kann dann nicht schlafen", sagt sie. Den Tathergang in ihrem neuesten Krimi beschreibt sie selbst zwar auch als "ungewöhnlich", merkt allerdings an: "Ansonsten empfinde ich den Film nicht als gruselig." "Die harte Realität der Bauern" Im Zentrum der Handlung stehen ein Biobauernhof, der Einsatz von Pestiziden und letztlich auch die Bedrohung der Artenvielfalt. Themen, die Furtwängler selbst am Herzen liegen. "Das Alte Land ist ein wichtiger Teil von Niedersachsen und ist geprägt durch Apfelmonokulturen", erklärt sie. "Wenn man vor dem Hintergrund eine Geschichte erzählt, bleibt es nicht aus, von der harten Realität der Bauern zu erzählen und auch den gesundheitlichen Schäden, die durch Pestizide entstehen können." In "Letzte Ernte" wird auf die Risiken der Landwirte aufmerksam gemacht. "Viele Menschen wissen nicht, dass zum Beispiel Parkinson bei Bauern als Berufskrankheit anerkannt ist", so Furtwängler. Ihr Charakter Lindholm ist reserviert, direkt, beherrscht es, hervorragend zu delegieren, agiert selten sentimental, bewahrt stattdessen einen kühlen Kopf und arbeitet am liebsten allein. Das sind alles Eigenschaften, die nicht zu den Stereotypen über Frauen gehören. "Ich denke schon, dass Rollenbilder im deutschen Fernsehen in Bewegung geraten sind", sagt die Schauspielerin. Frauen über 50 gelten in vielen Redaktionen als "Quotenrisiko". Das kann auch die 59-Jährige bestätigen. "Das Rollenangebot für Frauen nimmt nach wie vor ab dem 35. Lebensjahr deutlich ab. Auch ich stelle das fest." Trotzdem nehme sie eine Veränderung wahr: "Ich sehe derzeit eine ganze Reihe sehr eindrucksvoller Frauen, die über 60 sind und durchaus Quotenbringerinnen sind." Heute gebe es mehr vielschichtigere Frauenrollen, die sich abseits von Klischees bewegen. "Auch die öffentlich-rechtlichen Sender trauen sich zunehmend mehr, das finde ich sehr begrüßenswert." Ein Beispiel dafür sei der Film "Bis zur Wahrheit", in dem Furtwängler die Rolle der Martina spielt, die von dem Freund ihres Sohnes vergewaltigt wird. Diese Darstellung eines "ambivalent angelegten Opfers sexualisierter Gewalt" wäre ihrer Meinung nach vor zehn Jahren so noch nicht möglich gewesen. Mit einem Ausblick in die Zukunft, was die Frauenbilder angeht, tut sich Furtwängler schwer. "Die Frage ist ja tatsächlich, ob wir dann wirklich weitergekommen sind. Danach sieht es ja aktuell nicht unbedingt aus. Ich würde es jedenfalls sehr bedauern, wenn feministische Errungenschaften wieder infrage gestellt werden. Wir dürfen nicht nachlassen, systematische Unterdrückung und Gewalt gegen Frauen anzuprangern", fordert sie. Bald steht Furtwängler wieder mit ihrer Mutter vor der Kamera Eine Frau, die Furtwängler seit Beginn ihres Lebens als Vorbild dienen könnte, ist ihre Mutter Kathrin Ackermann. Seit 1959 arbeitet die inzwischen 87-Jährige als Filmschauspielerin und wird noch immer nicht müde. Schon bald soll sie wieder zusammen mit ihrer Tochter auch für den "Tatort" drehen. "Ich stehe so gern mit Maria vor der Kamera, das macht Spaß, und sie kümmert sich immer sehr süß um mich", sagte Ackermann im "Bild"-Interview. Auf Nachfrage von t-online beschreibt Furtwängler die Zusammenarbeit mit ihrer Mutter als "immer aufs Neue anregend und herausfordernd". Sie selbst habe immer hart an sich gearbeitet, sowohl an ihrer Technik als auch an ihrer Bereitschaft, sich auf Inszenierungen und Darstellungen einzulassen. Das gelingt ihr nicht immer ohne Zweifel. "Als Schauspielerin hat man immer etwas an sich zu meckern", verrät sie. Maria Furtwänglers Mutter kommt zurück: "Tatort"-Comeback mit 87 Jahren Streifenhemd und Lockenmähne: So sah Maria Furtwängler mit Anfang 20 aus Bevor sie sich dem Schauspiel zuwandte, studierte Furtwängler Medizin, promovierte 1996 und arbeitete bis 2001 als Ärztin. Außerdem ist sie mittlerweile auch Produzentin und Aktivistin für Frauenrechte. Welche Rolle ihr davon am besten gefällt? "Am liebsten ist mir die Abwechslung, und gleichzeitig ist sie auch manchmal ein Quell von Überforderung", gibt sie zu. Auch wenn um sie herum viele "Tatort"-Kollegen und -Kolleginnen bereits das Handtuch geworfen haben, hält Furtwängler die Ermittlerin-Fahne weiter hoch. Auf die Frage, ob sie manchmal ans Aufhören denke, sagt sie: "Nein. Ich liebe Charlotte, und mir fallen eine ganze Reihe von Situationen ein, mit denen ich sie gerne aus ihrer Comfort Zone locken wollen würde." Sollte der Moment des "Tatort"-Endes doch einmal gekommen sein, wünsche sie sich einen Ausstieg, "der von Aufbruch geprägt ist, der zeigt: Es gibt im Leben Erfüllung jenseits der Festanstellung".
Aus der Quelle lesen