Die Stuttgarter setzen beim Elektro-GLC auf bewährte Markenwerte. Mit vertrautem Namen und technologischen Sprüngen soll das SUV die E-Auto-Verkäufe ankurbeln. Wenn Mercedes etwas zu verlieren hat, dann mit dem GLC. Kein anderes Modell verkauft sich in Deutschland besser: Mehr als 21.000 Exemplare wurden allein in den ersten sieben Monaten dieses Jahres abgesetzt. Nun bekommt das SUV einen elektrischen Zwilling, der auf der IAA in München Premiere hat – und der trägt den Namen, der Kunden vertraut ist: GLC. Mit der neuen Modellgeneration verabschiedet sich Mercedes vom einstigen Konzept, Elektroautos mit einer parallelen Untermarke namens EQ (Electric Intelligence) zu verkaufen. Der vollelektrische GLC läuft deshalb ab der ersten Jahreshälfte 2026 als "GLC mit EQ-Technologie" vom Band. Was nach Marketing klingt, ist ein Strategiewechsel: Technik, Software und sogar das Design der Elektroautos sollen künftig den Takt für die ganze Marke vorgeben. Auch bei den Verbrennern. Von Audi bis XPeng: Das sind die Auto-Neuheiten der IAA Mehr Platz und ein Frunk unter der Haube Gegenüber dem 2023 eingestellten elektrischen EQC, dem der neue GLC faktisch nachfolgt, legt das Modell in fast allen Belangen zu. Mit 4,85 Metern ist er 8,3 Zentimeter länger als der EQC. Im Vergleich mit dem aktuellen Verbrenner-GLC bietet er einen um neun Zentimeter gewachsenen Radstand. Das spüren besonders die Passagiere im Fond: Sie haben nun bis zu 47 Millimeter mehr Beinfreiheit und 17 Millimeter mehr Kopffreiheit. Auch der Schulterraum ist größer geworden. Deutlich zugelegt hat der GLC auch beim Kofferraum: Dieser fasst nun 570 Liter, bei umgeklappter Rückbank sind es bis zu 1.740 Liter. Neu ist auch ein Staufach unter der Fronthaube: 128 Liter zusätzlich für das Ladekabel, Rucksack oder kleines Gepäck – ein Frunk, wie ihn viele Kunden von Tesla & Co. kennen. Großer Sprung bei den Ladeleistungen Beim Antrieb macht Mercedes einen klaren Technologiesprung. Der neue GLC basiert auf der neuen Plattform MB.EA und hat eine 800-Volt-Architektur. Sie erlaubt Ladeleistungen von bis zu 330 Kilowatt – dreimal so viel wie beim EQC und fast doppelt so viel wie beim EQE SUV. Laut Hersteller reicht das für 300 Kilometer Reichweite in zehn Minuten. Die Batterie fasst netto 94,5 Kilowattstunden und ermöglicht so bis zu 713 Kilometer Reichweite nach dem einheitlichen Messstandard WLTP (Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test Procedure, weltweit einheitliches Leichtfahrzeuge-Testverfahren). Mercedes verspricht ein breites Portfolio an Antrieben. Zum Start kommt mit dem GLC 400 das stärkste Modell mit 360 kW (490 PS) und mehr als 700 Kilometern Reichweite. Vier weitere Varianten sollen folgen. Der Antrieb verfügt über ein zweistufiges Getriebe zum effizienteren Beschleunigen. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 210 km/h. Eine günstigere Version mit LFP-Batterie ist ebenfalls geplant. Der GLC ist für bidirektionales Laden vorbereitet. Wer die passende Wallbox installiert, kann mit dem SUV Strom ins Hausnetz zurückspeisen oder ihn puffern, wenn der Strompreis am niedrigsten ist. KI und eine riesige Bildschirmlandschaft Im Innenraum zieht das neue Betriebssystem MB.OS ein. Es basiert auf einem zentralen Hochleistungsrechner mit KI-Funktionen und soll künftig die gesamte Mercedes-Flotte antreiben – von Navigation bis autonomem Fahren. Die Steuerung erfolgt über den optionalen MBUX-Hyperscreen, der sich mit 39,1 Zoll (fast ein Meter) über das komplette Armaturenbrett zieht. Wer ihn nicht will, bekommt den neuen Superscreen mit drei verbundenen Displays unter einer Glasfläche. Die Materialien im Innenraum sind vollständig vegan, das serienmäßige Panorama-Glasdach kann optional mit "Sternenhimmel" bestellt werden – mit 162 Lichtpunkten, die sich über das gesamte Dach ziehen. Das neue Lenkrad mit Wippe für den Tempomaten und Walze zur Lautstärkeregelung kennt man bereits vom CLA. Zudem ist der GLC für Level-3-Autonomie vorbereitet. Bisher war das nur bei EQS und S-Klasse der Fall. Funktionen wie teilautomatisiertes Spurwechseln oder das sogenannte Parken ohne Fahrer könnten damit bald Serienstand sein, sofern die Gesetzgebung mitzieht. Klassischer Kühler neu interpretiert Mit dem elektrischen GLC verändert Mercedes auch das Gesicht der Marke. Statt eines klassischen Kühlergrills gibt es nun eine beleuchtete Front mit wabenförmiger Struktur in Rauchglasoptik. Optional lässt sich die Fläche mit 942 LED-Punkten animieren, etwa mit einem Leuchtgruß beim Öffnen. Eine Lichtleiste rahmt das gesamte Element ein. Der Mercedes-Stern ist hinterleuchtet, die Konturen leuchten. Das Design des SUVs bleibt im Gegensatz zu bisherigen EQ-Modellen bewusst konservativ – zumindest im Vergleich zur radikaleren Konkurrenz aus China oder von Start-ups. Für Märkte wie China ein wichtiges Signal: Dort konkurriert Mercedes mit Hunderten SUV-Modellen, viele davon kaum unterscheidbar. Ordentlich Zugkraft für ein E-SUV Mercedes verspricht einen Fahrkomfort auf S-Klasse-Niveau – mit adaptiver Luftfederung, optionaler Hinterachslenkung (bis 4,5 Grad) für mehr Wendigkeit und neuem One-Box-Bremssystem. Letzteres erlaubt stufenlose Rekuperation mit bis zu 300 Kilowatt, also Bremsen durchs Loslassen des Fahrpedals. Bis zu zehn Außenkameras, fünf Radarsensoren und zwölf Ultraschallsensoren tragen Daten für die Fahrassistenten zusammen. Dazu kommt eine Multi-Source-Wärmepumpe, die bei Kälte für mehr Effizienz sorgt. Und der GLC kann ordentlich was ziehen: Die Anhängelast beträgt bis zu 2,4 Tonnen, genug für Pferdeanhänger, Boot oder Oldtimer. Im Unterboden ist außerdem Platz für ein vollwertiges Ersatzrad. Der Elektro-GLC muss liefern Die Erwartungen an den Neuling sind hoch. Im ersten Halbjahr 2025 verkaufte Mercedes weltweit nur 75.700 rein elektrische Fahrzeuge, ein Rückgang von 19 Prozent. Der EQE schwächelt, der EQC ist weg. Nun soll der GLC die Wende bringen. Strategisch setzt Mercedes auf Parallelität: Der klassische GLC mit Verbrennungsmotor bleibt weiter im Programm – erst 2023 neu eingeführt, soll er weit über das Jahr 2030 hinaus laufen, heißt es in der "Automobilwoche". Gleichzeitig startet BMW auf der IAA mit der "Neuen Klasse" – ebenfalls mit eigener Plattform, neuem Infotainment, 800-Volt-Bordnetz und sogar noch höherer Reichweite. Der elektrische GLC soll mit seiner konservativeren Gestaltung Kunden abholen, die bislang beim Kauf eines Stromers gezögert haben. Wer elektrisch fahren will, bekommt nun das, was er kennt – nur eben ohne Auspuff.