Peter Maffay: "Ich weiß, wie sich Existenzangst anfühlt"

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Er gehört zu den großen Rockstars des Landes: Peter Maffay. Im Gespräch zeigt sich schnell, dass hinter der Fassade des harten Mannes ein nachdenklicher Typ steckt. Ein verregneter Tag in Erfurt bildet den Rahmen für das Interview mit Peter Maffay . Von schlechter Stimmung ist bei dem 76-Jährigen jedoch nichts zu spüren: Er begrüßt sein Gegenüber mit einem harten Händedruck und möchte sofort loslegen. Es soll an diesem Nachmittag um seine Rolle als Glücksbotschafter gehen – und um Geld, gesellschaftliche Erosionen und emotionale Momente seiner Karriere. t-online: Herr Maffay, wenn Sie eine Million Euro zur Verfügung hätten – was würden Sie damit tun? Peter Maffay: Ich sehe jeden Tag, was in unserer Stiftung gebraucht wird. Dort arbeiten wir seit 25 Jahren mit Kindern, die aus extrem belasteten Verhältnissen kommen – durch Krankheit, Krieg, Traumata oder familiäre Notlagen. Diese Kinder tragen eine schwere Last durch ihr ganzes Leben, wenn ihnen nicht früh geholfen wird. Und das kostet Zeit und Geld. Eine Million ist da schnell aufgebraucht. Sie selbst sind als Kind mit Ihrer Familie aus Rumänien geflüchtet. Wie sehr prägt das Ihren Blick auf Armut heute? Sehr. Wir hatten damals nichts. Oder wie ich gern zu sagen pflege: Von nichts gab es viel. Aber ich hatte Eltern, die mir trotz aller Einschränkungen eine Kindheit ohne Angst ermöglicht haben. Das war mein großes Glück. Aber? Ich weiß, wie sich Existenzangst anfühlt. Deswegen ist mir klar: Geld bedeutet in erster Linie Selbstbestimmtheit. Schlafen zu können, ohne sich zu sorgen, ob die Kinder morgen genug zu essen haben – das ist unbezahlbar. Haben Sie den Eindruck, dass diese Sicherheit in Deutschland bröckelt? Leider ja. Wir sind mittendrin in einer Abwärtsbewegung. Kinderarmut, Wohnungsnot, Perspektivlosigkeit – das ist real. Ich bin kein Pessimist, aber ich sehe diese gesellschaftliche Erosion ganz klar. Wir verspielen gerade die Zukunft unserer Kinder. Woran liegt das Ihrer Meinung nach? Wir leben im vierten Jahr eines Krieges in der Ukraine , sehen das Elend in Gaza, erleben globale Ernährungskrisen. Es braucht einen weltweiten Konsens, um diese Spirale zu stoppen. Jeder von uns trägt Verantwortung. Wie soll das gelingen? Wenn ich sehe, wie viele Milliarden aktuell in Rüstung fließen – das halte ich für sinnlos. Verteidigung, ja, aber nicht Eskalation. Wir treiben eine Spirale nach oben, während gleichzeitig Kinder leiden. Das ist es, was mich umtreibt. In Deutschland sehen Sie eine "gesellschaftliche Erosion", wie Sie es nennen. Welche Rolle spielt dabei freiwilliges Engagement? Es gibt in unserem Land Hunderttausende von Menschen, die sich freiwillig engagieren – tagtäglich, oft im Verborgenen. Diese Menschen halten unsere Gesellschaft zusammen. Sie stehen nicht im Rampenlicht, sind nicht 1,68 groß und stehen auf einer Bühne wie ich, aber sie bewegen oft viel, viel mehr. Das wird häufig übersehen. Sie meinen: Ehrenamt und soziales Engagement erfahren zu wenig Wertschätzung? Vollkommen richtig. Wenn wir diesen Einsatz würdigen und fördern – durch Anerkennung, durch Unterstützung, durch Beteiligung – dann kann daraus eine starke, verbindende Kraft entstehen. Ein Teil davon zu sein, motiviert mich. Deshalb engagieren wir uns auch mit voller Überzeugung bei Projekten wie der Postcode Lotterie. Denn: Zusammen erreichen wir mehr als jeder für sich allein. Was wünschen Sie sich – für sich, für die Gesellschaft? Mehr Respekt. Mehr Zuhören. Weniger von oben herab urteilen. Wenn wir lernen, uns wirklich zu begegnen – nicht nur oberflächlich – dann wird vieles besser. Wissen ist der Schlüssel. Und Menschlichkeit. Sie wirken heute sehr reflektiert – fast schon ein Kontrast zu Ihrem Rockstar-Image. Wollen Sie sich bewusst von diesem Bild lösen? Ich glaube, das passiert ganz von allein. Mit 20 will man zeigen, was man drauf hat, klar. Aber mit 76 weiß ich: Härte bringt mich nicht weiter. Ich verschwende keine Zeit mehr mit Aggression, wenn ich sie vermeiden kann. Ich will die Zeit, die mir bleibt, sinnvoll nutzen – für das, was wirklich zählt. Was ist so gut daran, weicher und gefühlvoller zu wirken? Kinder zeigen uns das. Die haben keine Angst, ihre Gefühle zu zeigen. Wir Erwachsenen schon. Aber wer Musik macht – der muss sich öffnen, sonst funktioniert das nicht. Denn Musik ohne Emotionen ist sinnlos. Sie haben in Ihrem Leben vieles erreicht – wie viel war Können, wie viel war Glück? Ohne Talent, Disziplin und Einsatz geht es nicht. Aber auch das Glück spielt eine Rolle. Ich erinnere mich an einen Abend in einem kleinen Münchener Club. Eine Frau kam zu mir und sagte: "Mein Mann produziert Schlager. Haben Sie Lust, eine Platte zu machen?" Ihr Mann war Michael Kunze. Und so fing alles an. Erleben Sie nach mehr als 55 Jahren auf der Bühne heute überhaupt noch besondere, unvergessliche Momente? Oh ja. Bei einem Konzert in Leipzig stand meine kleine Tochter unten an der Bühne. Sie hielt ein Schild hoch: "Papa, ich hab dich lieb". Ich konnte zwei Zeilen lang nicht singen, weil mir die Tränen kamen. Ich war einfach überwältigt. Ähnlich dürfte es den Menschen gehen, denen Sie als Botschafter der Deutschen Postcode Lotterie ihre Geldbeträge überbringen. Was bedeutet Ihnen das? Glück ist vielschichtig. Es kann ein Moment sein – oder ein längerer Zustand. Für mich ist Glück, in innerer Balance zu sein und mir die Fähigkeit zur Empathie zu bewahren. Aber ich kann sehr gut verstehen, dass Menschen überglücklich sind, wenn ich sie mit großen Geldbeträgen überrasche – in diese strahlenden Gesichter zu schauen, gibt mir mehr, als es Geld je könnte.
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