Drei Jahre lang pendelte der Preis für Platin zwischen 900 und 1.100 US-Dollar. Dann plötzlich, im Mai dieses Jahres, schoss der Kurs nach oben. Die Gründe offenbaren sich auf den zweiten Blick. War ich die Einzige, die überrascht war von der jüngsten Rally bei Platin? Der Preis für das edle Metall schoss innerhalb von nur sechs Wochen von 1.000 auf 1.486 US-Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) – ein spektakulärer Sprung von fast 50 Prozent. Nein, offensichtlich nicht. Vielen Profis fehlten ebenfalls die Argumente. Anlass genug, einmal näher hinzuschauen. Denn auf den zweiten Blick offenbaren sich durchaus Gründe: Einer findet sich beim Goldpreis. Dieser ist über die vergangenen drei Jahre auf bis zu 3.500 US-Dollar je Feinunze regelrecht explodiert. Manchen Anlegern, die auf die "Sicherheit" von Edelmetall setzen wollten, war das zu teuer. Da kam Platin gerade recht. China und die Autoindustrie Grund Nummer zwei: China fragt wieder mehr Platin nach, und hier insbesondere die Schmuckindustrie. Es sind die Juweliere, die aus Kostengründen mehr und mehr auf Platin statt Gold setzen. Da der Markt groß ist, treibt das die Nachfrage. Dies macht sich umso mehr bemerkbar, als in den beiden Jahren zuvor von chinesischer Seite rekordmäßig wenig Platin nachgefragt wurde. Hier schließt sich ein weiteres Argument an: die Nachfrage aus der Autoindustrie. Weil sich die Nachfrage nach E-Autos nicht wie geplant entwickelt, die Menschen aber weiter Diesel- und Benzinautos kaufen, braucht auch die Autoindustrie Platin. Das Edelmetall wird in Katalysatoren verbaut. 40 Prozent des Platin-Angebots entfallen auf die Autoindustrie. Die US-Importzölle auf Autos könnten die Nachfrage nach Verbrennern freilich wieder drücken. Angebot knapper – es fehlen 10 Prozent Platin In dieser Gemengelage wurde zugleich das Angebot knapper. Denn mit Weltmarktpreisen unter 900 US-Dollar hat sich für viele Produzenten die Förderung nicht mehr gelohnt. Und so hatten einige Anbieter in Südafrika den Betrieb eingestellt beziehungsweise weniger in neue Minen und neue Technik investiert, um im wahrsten Sinne des Wortes "mehr rauszuholen": aus dem Boden beziehungsweise beim Gewinn. Aus Südafrika kommen 70 Prozent des weltweiten Platins; der fehlende Nachschub macht sich bemerkbar: Das World Platinum Investment Council, ein Zusammenschluss der sechs größten Platinminenbetreiber der Welt, erwartet, dass in diesem Jahr eine Million Unzen Platin fehlen. Das sind zehn bis zwölf Prozent der gesamten weltweiten Nachfrage. Auch Investoren haben Finger im Spiel Von den jüngsten Kurssteigerungen wurden jedoch auch solche Investoren kalt erwischt, die auf sinkende Platin-Kurse gesetzt hatten – sogenannte Shortseller. Sie leihen sich Platin-Wertpapiere und verkaufen diese sofort zu dem aktuellen Preis. Sie hoffen darauf, dass der Preis des Platins fällt, sodass sie die geliehenen Papiere später günstiger kaufen können, um sie zurückzugeben. Die Differenz zwischen dem Verkaufspreis und dem später niedrigeren Rückkaufpreis wäre dann ihr Gewinn. Wenn der Preis jedoch steigt, müssen sie die Papiere zu einem höheren Preis zurückkaufen, was ihnen Verluste einbringt. Weil sie dies schnell tun müssen, erzeugt dies zusätzliche Nachfrage und lässt den Preis für die Papiere steigen – ebenso wie den für echtes Platin. Denn beide Märkte sind miteinander verbunden. Ganz einfach ausgedrückt: Der Preis von Platin-Wertpapieren basiert auf den Erwartungen des zukünftigen Preises des echten Platins. Wenn der eine steigt, zieht das oft auch den anderen nach. Fazit Das geringe Angebot kann den Preis von Platin weiter hoch halten. Alles steht und fällt mit der industriellen Nachfrage. Das ist bei Platin, aber auch bei Palladium und Silber die Achillesferse. Gold hingegen wird weltweit viel mehr als Investment gesehen. Ein alter Trend, der nicht abebbt.