Schlafentzug gegen Depressionen: Was das bringen kann

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Schlafentzug kann eine depressive Stimmung aufhellen. Der Effekt ist zwar nicht von Dauer, kann aber Hoffnung geben. Eine Nacht wach bleiben – das kann bei vielen Menschen mit Depressionen tatsächlich die Beschwerden lindern. Und das buchstäblich über Nacht: Ihre Stimmung bessert sich, sie fühlen sich energiegeladener und haben deutlich mehr Antrieb. Der Haken: Die positive Wirkung eines Schlafentzugs hält nicht lange an. Meist fühlen sich erkrankte Personen schon nach dem nächsten Schlaf wieder schlechter. Heilen lässt sich eine Depression mit Schlafentzug also nicht. Dennoch ist ein therapeutischer Schlafentzug – Fachleute sprechen auch von einer Wachtherapie – in manchen Fällen sinnvoll. Wichtig dabei: Wer es versuchen möchte, sollte nicht eigenmächtig loslegen. Denn ein Schlafentzug kann auch Risiken und Nebenwirkungen mit sich bringen (siehe letzter Abschnitt). Depression verändert den Schlaf-Wach-Rhythmus Interessen- und Freudlosigkeit, eine gedrückte Stimmung sowie ein verminderter Antrieb/rasche Ermüdbarkeit gelten als Hauptsymptome einer Depression. Doch die Störung kann sich sehr unterschiedlich äußern. Häufig ist der Schlaf-Wach-Rhythmus deutlich verändert. Bei einem Großteil der Erkrankten ist der Schlaf gestört. Nicht selten wachen sie bereits in den frühen Morgenstunden gerädert auf. Sie fühlen sich dann besonders schlecht (Ärzte sprechen von einem Morgentief), während sich die Stimmung am Abend oft deutlich aufhellt (Abendhoch). Andere Personen berichten von einem stark erhöhten Schlafbedürfnis und einer andauernden Müdigkeit. Schlafentzug kann Stimmung positiv beeinflussen Fachleute haben herausgefunden, dass der Schlaf-Wach-Rhythmus Auswirkungen auf die Stimmung depressiver Personen hat. Längeres Schlafen führt bei vielen depressiven Menschen eher zu einer Verschlechterung ihrer Symptome. Ein vorübergehender Schlafentzug kann hingegen einen stimmungsaufhellenden Effekt haben. Studien zufolge zeigt ein Schlafentzug bei rund 6 von 10 Patienten mit Depressionen Wirkung: Die Stimmung hellt sich auf, meist in den frühen Morgenstunden. Fachleuten zufolge kommt ein Schlafentzug eher bei Menschen mit schwerer ausgeprägten Depressionen infrage. Besonders könnten Erkrankte profitieren, deren Beschwerden sich innerhalb eines Tages oder von Tag zu Tag stark verändern. Warum genau Schlafentzug gegen Depressionen helfen kann, ist noch nicht abschließend erforscht. Eine Ansicht ist, dass eine Änderung des Schlaf-Wach-Rhythmus die Ausschüttung bestimmter Hormone und Botenstoffe verändert, was wiederum Einfluss auf die Stimmung hat. Schlafentzug am besten in einer Klinik Empfehlenswert ist eine angeleitete Wachtherapie mit professioneller Unterstützung. Etwa in einer Klinik: Dort kann das Fachpersonal besser auf mögliche Komplikationen oder Rückfälle reagieren. In einer Gruppe mit mehreren Erkrankten fällt es unter Umständen leichter, durchzuhalten. Nach einem Klinikaufenthalt kann es sinnvoll sein, den Schlafentzug gelegentlich zu Hause durchzuführen. Dies sollte jedoch nicht ohne ärztliche Absprache erfolgen. Wie funktioniert Schlafentzug? Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Wachtherapie: vollständiger Schlafentzug teilweiser Schlafentzug Schlafphasenverschiebung Vollständiger Schlafentzug Beim vollständigen Schlafentzug bleibt die erkrankte Person insgesamt rund 40 Stunden wach – also die ganze Nacht und den darauffolgenden Tag. In einer Klinik kann diese Methode zwei- bis dreimal pro Woche zum Einsatz kommen. Teilweiser Schlafentzug Der teilweise (partielle) Schlafentzug ist leichter durchzuhalten und weniger anstrengend. Er fußt darauf, dass vor allem das Wachbleiben in der zweiten Nachthälfte einen positiven Effekt hat. Allerdings ist diese Methode nicht so wirksam wie die vollständige Variante. Die Patientin oder der Patient geht abends zunächst regulär schlafen, steht aber um etwa 1 Uhr nachts wieder auf und bleibt bis zum Ende des darauffolgenden Tages wach. Der teilweise Schlafentzug wird in der Regel ein- bis dreimal pro Woche durchgeführt. Schlafphasenverschiebung An einen Schlafentzug kann sich die sogenannte Schlafphasenverschiebung anschließen. Ziel dieser Methode ist es, den gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus schrittweise wieder zu stabilisieren. Dabei wird die Schlafenszeit am Tag nach dem Schlafentzug zunächst nach vorn verschoben – zum Beispiel schläft der Patient von 17 Uhr bis Mitternacht. An den darauffolgenden Tagen wird die Schlafenszeit um je eine Stunde nach hinten verlagert (z. B. von 18 bis 1 Uhr, anschließend von 19 bis 2 Uhr, usw.). Nach einer Woche ist dann wieder der herkömmliche Schlafrhythmus erreicht. Die Schlafphasenverschiebung kann den stimmungsaufhellenden Effekt verstärken; zudem hält dieser unter Umständen länger an. Diese Methode sollte nur unter Aufsicht erfolgen, am besten in einer Klinik. Was bringt Schlafentzug? Die antidepressive Wirkung eines Schlafentzugs hält nicht lange an: Sobald die Patientinnen und Patienten wieder geschlafen haben, kehren die depressiven Beschwerden meist zurück. Wie gut die Wachtherapie einen nachhaltigen Beitrag zur Behandlung leisten kann, ist unklar. Auch wenn der stimmungsaufhellende Effekt nicht lang anhält, kann er sich doch positiv auswirken. Während einer Depression sind erkrankte Personen hoffnungslos. Sie können sich kaum vorstellen, dass sich ihr Zustand verbessert. Die Erfahrung, dass sich die Stimmung nach einer Wachtherapie aufhellt, kann daher ein Lichtblick sein. Darüber hinaus kann das lange Wachbleiben das Gefühl stärken, aktiv etwas gegen die Depression tun zu können – und somit die Selbstwirksamkeit stärken. Bis ein Antidepressivum wirkt, vergehen meist mehrere Wochen. Um diese Zeit zu überbrücken, kann ein Schlafentzug als ergänzende Übergangsmaßnahme in Betracht gezogen werden. Wachtherapie nicht für jeden geeignet Ein Schlafentzug kann auch unerwünschte Wirkungen haben. Nicht oder nur unter besonderer Aufsicht ist die Wachtherapie geeignet bei: Epilepsie, da ein Schlafentzug einen epileptischen Anfall auslösen kann Schizophrenie , da sich wahnhafte Beschwerden verstärken können Depressionen, die mit psychotischen Symptomen einhergehen (etwa Wahnvorstellungen) Auch bei akuten Suizidgedanken kommt ein Schlafentzug nicht infrage; denn durch das Wachbleiben ist oft der Antrieb gesteigert, was die Gefahr eines Suizids erhöht. Sorgsam abgewogen werden sollte der Einsatz bei Personen mit einer bipolaren Störung. Bei dieser Erkrankung wechseln sich depressive Phasen mit Phasen übertriebener Hochstimmung (Manie) ab. Letztere sind unter anderem von starker Selbstüberschätzung und risikofreudigem Verhalten geprägt. Ein Schlafentzug kann manische Symptome verstärken. Wenn, dann sollte die Wachtherapie nur während einer akuten depressiven Episode durchgeführt werden – und keinesfalls während einer manischen oder gemischten Phase. Zu weiteren möglichen Nebenwirkungen eines Schlafentzugs zählen: Kopfschmerzen Verdauungsprobleme Müdigkeit Reizbarkeit Konzentrationsprobleme Ob und wann ein Schlafentzug einen Versuch wert ist, sollten Personen mit Depressionen gemeinsam mit dem behandelnden Arzt oder Therapeuten entscheiden. Hinweis: Falls Sie viel über den eigenen Tod nachdenken oder sich um einen Mitmenschen sorgen, f inden Sie hier sofort und anonym Hilfe .
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