Ein Song von 1970 erlebt ein überraschendes Comeback. Der Auslöser für den Erfolg von Reinhard Meys "In meinem Garten" liegt ausgerechnet im Hip-Hop begründet.   Die Netflix-Dokumentation "Babo – die Haftbefehl-Story" hat einen längst vergessenen Song in die Gegenwart befördert. Das Lied "In meinem Garten" von Reinhard Mey, ursprünglich veröffentlicht im Jahr 1970, hat nach Erscheinen des Films Einzug in die Streaming-Charts gehalten. Zu hören ist es in einer zentralen Szene des Films, in der der Rapper Aykut Anhan, bekannt als Haftbefehl, seine persönliche Krise offenbart.  Der Film zeichnet ein vielschichtiges Bild des Offenbacher Musikers. Gezeigt wird nicht nur sein kometenhafter Aufstieg, sondern auch sein jahrelanger Kampf mit psychischen Problemen und Drogenabhängigkeit. In einer besonders eindringlichen Passage sitzt Anhan mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze vor der Kamera. Er scrollt auf seinem Handy, sucht ein Lied. Dann erklingen die ersten Töne von Reinhard Meys Gitarre.  Der Liedermacher singt von einem Garten, von Verfall und Hoffnung – und der Rapper stimmt mit brüchiger Stimme mit ein: "In meinem Garten, in meinem Garten / blühte blau der   Rittersporn    …" Was folgt, ist ein Moment von ungewöhnlicher Offenheit. Anhan zeigt ein Foto seiner Kinder, nennt ihre Namen – Noah und Aliyah – und bezeichnet sich selbst als "Dreck".  Reinhard Mey gibt seine Songs nur sehr selten frei  Die Wirkung der Szene geht weit über den Film hinaus. In sozialen Netzwerken wurde der Moment vielfach aufgegriffen, Nutzer hinterlegten Posts mit Meys Lied. Eine Lehrerin singt das Stück im Brautkleid, junge Männer analysieren den Text, andere interpretieren ihn mit der Gitarre – ein Boxer denkt laut darüber nach, zu dem Lied in den Ring zu steigen. Die emotionale Kraft der Szene scheint besonders auf ein jüngeres Publikum zu wirken, das Reinhard Mey bislang nicht auf dem Radar hatte.  Dass der Song überhaupt im Film verwendet wurde, ist bemerkenswert. Der heute 83-jährige Liedermacher ist bei Anfragen zur Nutzung seiner Musik eher zurückhaltend. In diesem Fall stimmte Mey jedoch zu – offenbar bewegt durch die Darstellung. Auf Instagram bedankte sich Haftbefehl später öffentlich: "Es erfüllt mich heute mit umso größerer Freude, dass Reinhard Mey nach dem Sehen der Doku persönlich zu mir fand, mir schrieb, und mir damit etwas gab, das tiefer geht als Zustimmung – eine stille, ehrliche Bestätigung: Dass man den Menschen hinter dem Bild, den Künstler hinter den Schlagzeilen, erst wirklich verstehen sollte, bevor man sich ein Urteil erlaubt."  Seit der Veröffentlichung der Doku, die bei   Netflix    zeitweise Platz eins erreichte, tauchte der Song "In meinem Garten" bei   Spotify    in den Top 50 auf. Eine bemerkenswerte Entwicklung für ein Lied, das mehr als fünf Jahrzehnte alt ist. Zugleich auch Ausdruck des enormen Erfolgs der Netflix-Produktion, denn in ebendiesen Charts sind neben dem Song von Mey auch noch zahlreiche Haftbefehl-Lieder zu finden: Allein unter den ersten 15 Titeln stammen 7 aus der Feder des Rappers.