Einige Experten sehen in der Vogelgrippe das Potenzial für die nächste Pandemie. Nun haben Forscher alarmierende Entdeckungen auf den US-Rinderfarmen gemacht, in denen das Virus grassiert. In mehr als tausend Milchviehbetrieben wurde seit Anfang 2024 das Vogelgrippevirus nachgewiesen. Nun zeigen aktuelle Daten einer US-Studie: Das Virus ist dort praktisch überall nachweisbar. Es findet sich nicht nur in der Milch und im Abwasser infizierter Betriebe, sondern auch in der Stallluft, an den Geräten und in der Umgebungsluft der Melkstände. Die Erkenntnisse stammen aus einer umfassenden Untersuchung einiger dieser Betriebe. Die Forscher entnahmen Luft-, Abwasser- und Milchproben und fanden infektiöses H5N1-Virus – also nicht nur Erbgutreste, sondern tatsächlich ansteckendes Material. Erst vor Kurzem hatte die Stiko ihre Impfempfehlungen aufgrund der Vogelgrippe ausgeweitet. Vogelgrippe-Alarm: Wer sich jetzt impfen lassen sollte Offenbar asymptomatische Infektionen Auch die Milch vermeintlich nicht betroffener und gesund wirkender Kühe war häufig infiziert. Eine detaillierte Analyse einzelner Euterviertel ergab: Eine sehr hohe Anzahl der Rinder war ohne erkennbare Krankheitssymptome infiziert. Die Forscher schlagen Alarm: "Es ist überall. Wir müssen die Biosicherheitsmaßnahmen ausweiten und versuchen, zu kontrollieren, wo das Virus ist", sagte Studienleiterin Seema Lakdawala. "Irrwitzig stark kontaminierte Umgebung" Auch der Grippeexperte Richard Webby vom renommierten St. Jude Children's Research Hospital in Memphis äußert sich sehr beunruhigt: "Es handelt sich um eine irrwitzig stark kontaminierte Umgebung." Die Vogelgrippe ist längst nicht mehr nur ein Problem für Vögel und Geflügel. Das Virus ist bereits auf diverse Arten übergesprungen – darunter auch Säugetiere wie Robben, Füchse, Waschbären, Luchse und Katzen. Wie gefährlich kann das Virus dem Menschen werden? Bislang sind 70 Menschen im Zusammenhang mit dem Ausbruch in den USA infiziert worden, vor allem Beschäftigte in der Landwirtschaft. Die meisten zeigten milde Symptome – wie Bindehautentzündungen oder grippeähnliche Beschwerden. In einzelnen Proben fanden US-Forscher bereits genetische Veränderungen des Virus, die typisch für eine Anpassung an den Menschen sind. Die Befürchtung einer Mensch-zu-Mensch-Übertragung steht damit im Raum. Die Behörden in den USA empfehlen aktuell landesweite Testprogramme, sowohl bei Nutztieren als auch beim Menschen. In Deutschland sind sich die Experten uneinig über das Gefahrpotenzial für den Menschen. Vor einem Jahr mahnte der Chef-Virologe der Charité, Christian Drosten , bereits: "So etwas hat es vorher noch nicht gegeben, solche extrem großen Ausbrüche bei Kühen – alle Fachleute sind besorgt." Es könne sich um den Anlauf zur nächsten Pandemie handeln. Experten uneinig Im Interview mit t-online widersprach der Virologe Alexander Kekulé jüngst dieser Einschätzung: "Um für den Menschen wirklich gefährlich zu werden, müsste das Virus fliegen lernen, das heißt, sich über die Luft verbreiten." Weil ihm das aber bislang nicht gelungen ist, vermutet Kekulé, "dass H5N1 das nicht durch eine normale Mutation schaffen kann, sonst wäre es längst passiert." Sein Kollege Jonas Schmidt-Chanasit verweist zudem darauf, dass für den unwahrscheinlichen Fall einer Übertragung von Mensch zu Mensch es ja die bereits vorhandenen Impfstoffe gebe. Diese könnten eine größere Ausbreitung verhindern. Forscher fordern nun klare Regeln und Strategien zur Eindämmung.