Chronische Schmerzen können nicht nur ein Schmerzgedächtnis ausbilden, sondern auch vergesslich machen. Was das für Betroffene bedeutet. Schmerzen kennt jeder. Während akute Schmerzen vorübergehend sind, belasten chronische Schmerzen die Betroffenen dauerhaft. Bildet sich ein Schmerzgedächtnis aus, kann sogar Schmerz empfunden werden, wenn keine Schmerzursache vorliegt. Und nicht nur das: Anhaltender Schmerz kann vergesslich machen. Was ist Schmerz? Schmerz entsteht, wenn spezielle Nervenenden, sogenannte Nozizeptoren, Reize wie Hitze, Druck oder Verletzungen registrieren und diese über Schmerzfasern ins Rückenmark und dann ins Gehirn leiten. Dort werden die Schmerzsignale verarbeitet und als Schmerz wahrnehmbar. Akuter Schmerz ist ein wichtiges Warnzeichen und klingt wieder ab, nachdem der Reiz nachgelassen oder eine mögliche Wunde, Prellung, Muskelverspannung oder Entzündung abgeklungen ist. Anders ist das bei chronischen Schmerzen. Diese begleiten Betroffene anhaltend oder wiederkehrend. Ärzte sprechen von chronischen Schmerzen, wenn sie länger als drei Monate bestehen. Häufige Ursachen für chronische Schmerzen sind beispielsweise rheumatische Leiden, Tumorerkrankungen sowie neurologische Erkrankungen. Schmerz als eigenständige Erkrankung Laut der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. kann Schmerz zu einer eigenständigen Erkrankung werden. Ist eine körperliche Ursache nicht oder nicht mehr vorhanden, hat der Schmerz seine biologisch sinnvolle Warnfunktion verloren. Länger andauernde Schmerzreize können aus einem akuten Schmerz in ein chronisches Schmerzleiden führen. Starke und länger andauernde Schmerzreize aus den Geweben des Körpers können die Nervenzellen überreizen und sensibler machen. Infolge der Übersensibilisierung können Betroffene bereits leichte Reize wie eine Berührung, mäßige Hitze oder sanften Druck als intensiven Schmerz wahrnehmen. Risiko Schmerzgedächtnis: Schmerzen ohne Ursache Eine stetig zunehmende Überempfindlichkeit auf Schmerz kann schließlich dazu führen, dass die überempfindlich gewordenen Nervenzellen grundlos Schmerzsignale schicken. Diese Sensibilisierung findet nicht nur in den weiterleitenden Nervenzellen statt, sondern auch im Rückenmark und im Gehirn. Es finden Lernvorgänge statt und ein "Schmerzgedächtnis" kann sich ausbilden. Nicht nur, dass Schmerzen stärker wahrgenommen werden als zuvor. Betroffene können sogar dann noch Schmerzen empfinden, wenn die ursprüngliche Ursache längst behoben ist. Um dem entgegenzuwirken, empfiehlt die Deutsche Schmerzgesellschaft, Schmerzen beziehungsweise die Schmerzursache so früh wie möglich zu behandeln. Was chronische Schmerzen mit Körper und Psyche machen Chronische Schmerzen können extrem belastend sein und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich einschränken. Dauerhafte Schmerzen führen oft zu Schlafstörungen , Erschöpfung, gedrückter Stimmung, sozialem Rückzug, Konflikten sowie zu einer Vielzahl von Einschränkungen im Alltag bis hin zu einer möglichen Arbeitsunfähigkeit. Viele Betroffene berichten von Gereiztheit, Aggressivität, Ungeduld, Konzentrationsproblemen und Vergesslichkeit. Verbessert sich die Symptomatik nicht, besteht die Gefahr, dass der andauernde Schmerz Stress, Ängste sowie Gefühle von Hilflosigkeit und Kontrollverlust weiter verstärkt und sich Krankheiten wie Depressionen und Angststörungen entwickeln – was die Schmerzschwelle oft weiter sinken lässt und den Schmerzkreislauf aufrechterhält. Warum Schmerz vergesslich macht Chronischer Schmerz kann die Gedächtnisleistung beeinträchtigen, indem er die Aktivität bestimmter Hirnareale verändert – insbesondere die Bereiche, die für Aufmerksamkeit, Konzentration und Merkfähigkeit zuständig sind. Die Mechanismen sind vielfältig. Zum einen beanspruchen die Schmerzsignale dauerhaft die Aufmerksamkeit des Gehirns, was die Kapazität für Lern- und Erinnerungsprozesse einschränkt. Zum anderen fällt es Betroffenen schwer, sich von dem Schmerz abzulenken. Damit ist ein Großteil ihrer Aufmerksamkeit immer auf den Schmerz gerichtet. Es ist dann kaum möglich, sich auf etwas anderes zu konzentrieren oder sich Informationen zu merken. Auch lassen sich Wichtiges und Unwichtiges schwerer voneinander trennen. Entscheidungsfindung und Problemlösung sind ebenfalls erschwert. Schmerz erschöpft Hinzu kommt, dass anhaltender Schmerz erschöpft und müde macht. Fühlen sich Betroffene ausgelaugt, wirkt sich das ebenfalls ungünstig auf die Gedächtnisleistung aus. Je mehr Reize und Eindrücke von außen auf die Betroffenen einwirken, desto schwieriger ist es für sie, aufmerksam zu sein beziehungsweise zu bleiben. Zudem nehmen Betroffene im Rahmen der Schmerztherapie oft Medikamente ein, die ebenfalls müde machen und Konzentration und Merkfähigkeit beeinträchtigen. Schmerz als Demenzrisiko? Es gibt Untersuchungen, die darauf hindeuten, dass chronischer Schmerz das Gehirn unter Umständen so stark beeinflussen kann, dass das Demenzrisiko steigt. Als mögliche Ursache werden Schäden im Hippocampus infolge des schmerzbedingten neuronalen Abbaus diskutiert. Wie eine Schmerztherapie Betroffenen helfen kann Die Behandlung chronischer Schmerzen fußt auf mehreren Säulen. Neben Medikamenten kommen Therapiebausteine wie Physiotherapie, Bewegungstherapie, Entspannungsverfahren und psychologische Unterstützung, wie die kognitive Verhaltenstherapie, zum Einsatz. Die Schmerztherapie hat das Ziel, das Schmerzgedächtnis zu durchbrechen und das Leiden der Betroffenen zu lindern. Nervenreizungen sollen reguliert und neue Verarbeitungsprozesse im Gehirn angestoßen werden. Außerdem sollen Betroffene lernen, mit dem Schmerz besser umzugehen und die Aufmerksamkeit wieder mehr auf positive Erlebnisse zu lenken.